Was kann man gegen die Inflation tun? Angesichts der hohen Preissteigerung (Inflationsrate aktuell: 6,4 Prozent im Juni 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat) fragen sich viele Menschen, wie sie auf die hohe Inflation …
Immer wieder richten sich dieser Tage bange Blicke auf das Thema Inflation in Deutschland: Im April 2022 lagen die Preise um 7,4 Prozent über denen des Vorjahresmonats. Konkret bedeutet das, die Kosten für ein durchschnittliches Waren- und Dienstleistungsangebot sind gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Das gilt aber tatsächlich gar nicht für alle Produkte, besonders stark trifft es zum Beispiel die Energiekosten. Gleichzeitig wird derzeit das Wirtschaftswachstum geringer.
Was passiert in der Stagflation: Definition und Entstehung
Betrachten wir zunächst den Begriff Stagflation: Das Wort setzt sich zusammen aus Stagnation – also gleichbleibende bzw. stockende Wirtschaftsentwicklung (Wachstum zwischen 0 und 1,5 % p.a.) und Inflation – also einem Preisanstieg. Eine Stagflation ist also, wenn beides gleichzeitig eintritt.
Bleibt die Frage: Wie kann eine Stagflation entstehen?
Herbeigeführt wird eine Stagflation durch die Verknappung von bedeutsamen Rohstoffen und einem damit verbundenen Preisanstieg. Aktuell bezieht sich das vor allem auf fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas, aber auch auf Nahrungsmittel. Aber auch wichtige elektronische Komponenten wie Halbleiter sind aktuell knapp geworden.
Die Ölkrise in den 1970er und 1980er Jahren gilt als bekanntes Beispiel für eine Stagflation. Folgen damals: Ein hoher Preisanstieg für viele Produkte und Dienstleistungen, was letztlich den Konsum gebremst hat und so zu einem gebremsten Wachstum und höherer Arbeitslosigkeit führte.
Durch die besondere Situation bei den Rohstoffen steigt das allgemeine Preisniveau, es droht eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale: Um die stark steigenden Preise auszugleichen, müssen Löhne und Gehälter steigen - das verteuert die Produktionskosten weiter und erschwert damit das weitere Wachstum. Das gleitet zwar nicht ins Negative (Rezession), wird dadurch aber deutlich gemindert.
Es kann also sein, dass durch Stagflation Gefahren für die gesamte Wirtschaft entstehen. Hauptproblem einer Stagflation: Folgen einer solchen Entwicklung sind eigentlich sehr schwer abzuschätzen.
Auswirkungen von Corona und Ukraine-Krieg
Die Situation ist derzeit vor allem durch die Entwicklung auf den Energiemärkten geprägt. Energie ist ein Kostenfaktor für fast alle Produkte, die industriell hergestellt oder über weitere Strecken transportiert werden müssen. Zudem macht sich die Energiepreisentwicklung in der Regel direkt bei allen Verbrauchern bemerkbar – über die Diesel- und Benzinpreise, Stromkosten, Gaspreise und den Preis für Heizöl.
Während der Corona-Pandemie waren die Energiepreise zwar stark gesunken, weil weltweit die Produktion zurückgegangen war. Doch die Speicherkapazitäten etwa für Öl und Gas sind beschränkt, durch die Normalisierung entstand ein überdurchschnittlich hoher Bedarf – eine nachholende Entwicklung. Dass Russland nach dem Angriff auf die Ukraine perspektivisch als Energielant ausfällt, führt zu einer besonders starken Verknappung.
In der globalisierten Wirtschaft laufen auch noch nicht alle Lieferketten wieder reibungslos. Teile und Komponenten, die beispielsweise in China produziert werden, sind knapp oder fehlen – das erhöht die Kosten. Durch Russlands Angriff auf die Ukraine ist zusätzlich die weltweite Lebensproduktion betroffen – insbesondere Getreide. Die Preise für Nahrungsmittel steigen dadurch, auch das ein Effekt, den fast jeder Verbraucher bemerkt.
Inflationsrate in Deutschland bei mehr als 7 Prozent
Die Daten des Statistischen Bundesamts (destatis) belegen, dass die Preisentwicklung und Inflationsrate vor allem durch wenige einzelne Güter und Produkte stark gestiegen ist. Für den Handel mit Brennstoffen (Heizöl) oder Benzin/Diesel fällt in Deutschland heute 100 % bzw. 44,2 % mehr als im Januar 2015 an. Auch Preise für Lebensmittel sind überdurchschnittlich stark gestiegen: Butter (+92,6 % seit Januar 2015), Speiseöle (+63,7 %), Eier (+49,1%), Schweinefleisch (+39,7 %), Milch (+36 %) und Gemüse (+33,3 %).
Doch es gibt auch Produkte die günstiger geworden sind: Bei Lebensmitteln sind das z.B. Süßstoffe (-6 %). Aber auch Telefone (-20,9 %), Unterhaltungselektronik (-12,1 %) und Haushaltsgeräte (-2,1 %) sind laut der Statistikbehörde seit Januar 2015 im Preis gefallen.
Betrachtet man das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von maximal 2 % p.a., wäre seit Januar 2015 ein Preisanstieg von insgesamt rund 15 % im Rahmen des Normalen. Tatsächlich bleibt die Preisentwicklung vieler Produkte in der Betrachtung von destatis dahinter zurück, z.B. Schokolade (+7,1 % seit Januar 2015), Tee/Kaffee/Kakao (+7,7 %), Getränke (+11,1 %), aber auch Kleidung und Schuhe (+6,7 %) sowie Möbel (+12,3 %). Die derzeitige Energiepreisentwicklung dürfte sich aber schon bald bei vielen Waren und auch auf Dienstleistungen auswirken, weswegen Experten eine Stagflation-Gefahr sehen.
Politik will gegensteuern
Viele fragen sich derzeit: Was tun bei Stagflation? Insbesondere die Politiker wollen die möglichen Folgen und Gefahren der Stagflation abmildern. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach am Donnerstag davon, die „gefühlte Inflation“ soll durch Entlastungen abgemildert werden. So will die Bundesregierung das Phänomen der Lohn-Preis-Spirale, aus der eine Stagflation entstehen könnte, verhindern.
Zielsetzung: Die Inflation eindämmen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum fördern. Die konkreten Ansätze dafür:
Entlastung
- Ein milliardenschweres Entlastungspaket soll allen Arbeitnehmern und Selbständigen zugutekommen. Beschlossen wurde die Erhöhung des Grundfreibetrags für die Einkommensteuer, der Pendlerpauschale sowie der Werbekostenpauschale.
- Zusätzlich soll es einmalige Zahlungen für alle Berufstätigen (Energiepauschale von € 300) sowie für jedes Kind geben (€ 100).
- Die Kosten für Benzin und Diesel sollen durch eine vorübergehende Steuersenkung reduziert werden, für den öffentlichen Personennahverkehr soll es ein Ticket für 9 Euro im Monat geben.
- Durch Abschaffung der EEG-Umlage für Ökostrom sollen außerdem die Strompreise sinken.
Veränderte Energiepolitik
- Als Schutz vor hohen Energiepreisen sollen erneuerbare Energiequellen schneller ausgebaut werden.
- Auch langfristige Lieferverträge und Energiesparmaßnahmen sollen helfen, die Energiekosten planbarer und von den Öl- und Gaspreisen unabhängiger zu machen.
- Für Unternehmen, die für ihre Produktion besonders stark auf Energie angewiesen sind, soll es nach dem Willen der Bundesregierung Unterstützung geben, damit die steigenden Preise nicht voll an die Kunden weitergegeben werden müssen.
Gewaltige Investitionen fördern Wachstum
- Förderprogramme sollen den Umbau der Wirtschaft unterstützen, um die Abhängigkeit von Öl und Gas als Energieträgern deutlich zu verringern. Dazu sind teilweise sehr hohe Investitionen notwendig, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln können. Entscheidend wird sein, wie schnell die Transformation gelingt und ob es zwischenzeitlich durch fehlende Energie oder Probleme beim Ausbau erneuerbarer Energien zu Engpässen kommen wird.
- Aktuell rechnet die Bundesregierung mit 2,2 % Wirtschaftswachstum im Jahr 2022, die Wirtschaftsweisen gehen von 1,8 % aus. Die Entwicklung wäre damit zwar schwächer als erwartet, aber noch nicht stagnierend.
- Wirken sich die hohen Energiepreise weiter negativ aus, wäre sie also tatsächlich möglich – die Stagflation. Folgen durch zusätzliches Wachstum, das sich aus einem Umbau der deutschen Wirtschaft ergibt, sind allerdings auch noch nicht einberechnet.
Besondere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
- Gerade in den 1970er und 1980er Jahren war die Stagflation gefährlich, weil sie zu einer deutlich erhöhten Arbeitslosigkeit führte. Aktuell ist die Beschäftigungsquote in Deutschland aber so hoch wie lange nicht. Überall werden sogar händeringend Fachkräfte benötigt. Eine Trendumkehr ist dabei nicht erkennbar – eher sogar im Gegenteil: In den nächsten acht Jahren erreichen die besonders starken „Babyboomer“-Jahrgänge (geb. bis 1964) das Rentenalter, stehen dem Arbeitsmarkt dann nicht mehr zur Verfügung. Es stellt sich derzeit eher die Frage, wie die freiwerdenden Stellen besetzt werden können.
Inflation oder Stagflation: Folgen für die Geldanlage
Entscheidend wird sein, wie Stagflation Aktien und Kapitalmärkte beeinflusst. Ein Blick auf die Ölkrisen nach 1973 (ausgelöst durch einen arabischen Ölboykott in Folge des Yom Kippur-Krieges) und Anfang der 1980er Jahre (als sich der Iran und Irak einen heftigen Krieg am Persischen Golf lieferten und Öllieferungen blockierten bzw. angriffen) zeigt am , dass die langfristige Börsenentwicklung durch die Stagflations-Folgen nicht beeinträchtigt wurde.
Ein Grund dafür: das Umfeld einer relativ hohen Inflationsrate macht es Unternehmen möglich, höhere Preise tatsächlich am Markt durchzusetzen. Das heißt, dass sich ihre Gewinnmarge kaum verändert und sie weiter ordentliche Erträge durch Dividenden auszahlen können. Zudem orientieren sich die Kapitalmärkte in der Regel an den Zukunftsaussichten und künftigen Wachstumsmöglichkeiten – deswegen gilt für die Stagflation: Aktien dürften weiter gefragt sein, insbesondere wenn nach einer kurzen Phase wieder ein stärkeres Wachstum zu erwarten ist.
Angesichts der Inflation bieten Kapitalmärkte ohnehin eine der wenigen Möglichkeiten, den Wertverlust von Ersparnissen wettzumachen. Seit 2011 liegt die Inflationsrate deutlich über dem Leitzins der EZB – das bedeutet, Geld auf dem Sparbuch oder Konto verliert Jahr für Jahr an Kaufkraft – viele Banken und Sparkassen verlangen außerdem von ihren Kunden Negativzinsen.
Bei der Investition in die Kapitalmärkte gibt es dagegen die Chance auf eine durchschnittliche jährliche Rendite, die deutlich höher ist als die Inflationsrate. So gilt für das Spannungsfeld Stagflation-Inflation: Unterschiede für die Geldanlage bedeutet das kaum.
Im Umfeld steigender Zinsen – wie es aktuell in den USA durch die Geldpolitik der Notenbank Fed zu beobachten ist – können sich allerdings insbesondere Anleihen mit mittel- oder langfristiger Laufzeit als Nachteil erweisen. Schließlich werden dabei die besonders geringen Zinsen jahrelang festgeschrieben, ohne Aussicht auf eine Erhöhung der Erträge.
Bei allen Strategien von growney setzen wir deshalb ausschließlich auf Anlageklassen, die im Umfeld einer möglichen Stagflation bzw. starker Inflation, die besten Entwicklungsmöglichkeiten bieten:
- weltweit gestreute Aktien
- sowie kurzfristige Unternehmens- und Staatsanleihen