Seit dem 24. Februar tobt ein Krieg in Europa - der russische Präsident Wladimir Putin schickte seine Truppen zum Angriff auf die Ukraine. Die Regierung in Kiew hat den Kriegszustand ausgerufen, versucht …
Dazu kommen Sorgen hier in Deutschland: Hohe Diesel- und Benzinpreise belasten alle Autofahrer und drohen, die Inflation weiter in die Höhe zu treiben. Besorgt schauen viele auch auf die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen (Öl und Gas). Die sich andeutende Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft wirkt sich auch auf Lieferketten sowie Preise für Getreide, Metalle und das Bankensystem aus. Russland scheint kurz vor der Staatspleite zu stehen, Aktien russischer Unternehmen werden schon seit Ende Februar nicht mehr gehandelt – die Moskauer Börse bleibt komplett geschlossen.
Krieg: Aktienkurse derzeit sehr volatil
An den Finanzmärkten zeigt sich ein ständiger Wechsel zwischen Bangen und Hoffen, mit teilweise sehr großen Kursausschlägen. Bahnt sich ein neues Treffen zwischen Vertretern der Ukraine und Russlands an, steigen die Kurse stark, markige Worte aus dem Kreml von Russlands Präsident Putin lassen die Kurse dann aber auch wieder fallen. Manche Anleger fragen sich, ob sie im Krieg Aktien verkaufen sollen – andere raten genau das Gegenteil, verweisen auf die Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“.
Nur einige der wichtigsten Kursbewegungen im Ukraine-Krieg
- Die stärksten Tagesgewinne verzeichnete der Aktienindex S&P 500, der eine große Bandbreite von US-Aktien wiedergibt, in den Tagen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sowie am Mittwoch dieser Woche, also einen Tag vor dem Außenministertreffen der beiden Länder in Antalya (Türkei).
- Die größten Verluste gab es Anfang März als klar wurde, dass russische Aktien weltweit nicht mehr gehandelt werden können, sowie Anfang dieser Woche, nachdem sich eine Eskalation des Krieges durch Russland andeutete.
In der Regel versuchen insbesondere die großen institutionellen Anleger die künftige Entwicklung vorwegzunehmen. Deswegen steigen jeweils vor neuen diplomatischen Gesprächen über eine Lösung die Kurse. Sobald sich abzeichnet, dass die Gespräche scheitern, fallen sie dann wieder.
Historisch gesehen: Wie Krieg Aktienmärkte beeinflusst
Aber was ist denn nun besser? Soll man im Krieg Aktien verkaufen? Oder lieber zusätzlich investieren, um auf die Wirtschaftsentwicklung nach dem Krieg zu setzen – auch wenn dies angesichts der Bilder aus dem Krieg und dem großen Leid der Zivilbevölkerung und der Flüchtlinge makaber erscheinen mag.
Wie ein Krieg Aktienkurse beeinflussen kann, zeigt unsere Analyse für vergangene Konflikte. Betrachtet wurde dabei jeweils der US-Aktienindex S&P 500, weil dieser mit 500 Werten über viele Branchen eine große Bandbreite abbildet und eine lange Historie hat. Den oft als Weltmarktindex bezeichneten MSCI World gibt es dagegen erst seit 1970.
Angesichts der wichtigen Rolle Russlands für Energielieferungen wurden dabei insbesondere Konflikte in der erdölreichen Golfregion betrachtet, jeweils von einem Monat vor Kriegsbeginn bis etwa 10 Jahre danach.
2. Weltkrieg, 1939 bis 1945
Der am 1. September 1939 gestartete Angriffskrieg Hitlers und Nazi-Deutschlands wirkte sich stark auf die Börsen aus.
Nach Kriegsbeginn stieg der S&P 500 zunächst. Obwohl die USA bis Dezember 1941 keine Kriegspartei waren, fiel der Index im Kriegsverlauf allerdings – und erreichte seinen Tiefpunkt kurz nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour. Von da an ging es kontinuierlich aufwärts, zu Kriegsende stand der S&P 500 bei gut 125 % seines Vorkriegswertes. Knapp 10 Jahre nach Kriegsbeginn dann bei 134,5 %.
Korea-Krieg, 1950 bis 1953
Der Koreakrieg war der erste große Krieg nach dem 2. Weltkrieg und vor allem ein direktes Aufeinandertreffen des kommunistischen und des kapitalistischen Blocks. Der Krieg begann am 20. Juni 1950: Truppen des kommunistischen Nordkoreas marschierten in Südkorea ein, stießen bis zur Hauptstadt Seoul vor. US-Truppen und chinesische Einheiten beteiligten sich jeweils an der Seite ihrer Verbündeten an den Kämpfen.
Gerade zu Beginn beeinflusste dieser Krieg Aktien im S&P 500 negativ, der Index fiel. Nach nur wenigen Wochen setzte eine Gegenbewegung ein, nach rund drei Jahren Koreakrieg hatte der Index etwa 126 % seines Vorkriegsstands erreicht. Bis 1960 stieg dieser Wert dann sogar auf 290 %.
Yom-Kippur-Krieg, 1973
Der Yom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 dauerte nur rund drei Wochen, hatte aber große wirtschaftliche Auswirkungen. Mehrere arabische Staaten hatten am jüdischen Feiertag Yom Kippur, an dem das öffentliche Leben fast komplett stillsteht, Israel von mehreren Seiten aus angegriffen. Das Land konnte den massiven Angriff abwehren. In der Folge entwickelte sich allerdings ein Wirtschaftskrieg arabischer Staaten, der zur Ölkrise und autofreien Sonntagen in West-Deutschland führte.
Zu beobachten ist, dass insbesondere nach dem Yom-Kippur-Krieg Aktienkurse deutlich fielen, während sich der Krieg selbst kaum auf den Index S&P 500 auswirkte. Damals waren insbesondere die USA sehr stark von Öllieferungen aus dem Ausland abhängig. Auffällig aber auch hier: Rund zehn Jahre nach dem Krieg, erreichte der Index 150 % seines Vorkriegsniveaus.
Iran-Irak-Krieg, 1980-1988 (1. Golfkrieg bzw. Tankerkrieg)
Der Iran-Irak-Krieg wird oft auch als 1. Golfkrieg bezeichnet. Mit Irak und Iran bekämpften sich zwei Golfstaaten, es gab erhebliche Auswirkungen auf die Erdöl-Lieferungen aus der Region. Der Krieg fiel zeitlich mit der 2. Ölkrise zusammen. Diktator Saddam Hussein hatte am 22. September 1980 dem Iran (der seit 1979 von religiösen Islamisten regiert wird) den Krieg erklärt, seine Truppen versuchten eine Grenzregion des Iran zu besetzen. Es folgte ein achtjähriger Stellungskrieg, in dessen Verlauf auch gezielt Tanker mit Erdöllieferungen angegriffen wurden, im sogenannten „Tankerkrieg“. Der Iran nahm dabei auch Lieferschiffe anderer Golfstaaten ins Visier, um der weltweiten Wirtschaft zu schaden.
Beim US-Aktienindex S&P 500 gibt es insbesondere zu Beginn Auswirkungen durch den Krieg. Aktienkurse fielen zunächst. Dann setzt eine Erholungsbewegung ein – und die Kurse stiegen fast kontinuierlich an. Knapp 10 Jahre nach Kriegsbeginn stand der Index bei über 250 % des Vorkriegsniveaus.
Kuwait-Krieg, 1990-1991 (2. Golfkrieg)
Die Kuwait-Krise wird in der Regel als 2. Golfkrieg bezeichnet. Iraks Diktator Saddam Hussein ließ in der Nacht zum 2. August 1990 das Nachbarland Kuwait überfallen. Die irakische Armee konnte dabei innerhalb weniger Stunden das Land besetzen und auch die Kontrolle über wichtige Ölquellen übernehmen. Saddam Hussein verkündete die Annexion Kuwaits, erklärte das Nachbarland zur „19. Provinz“ des Irak. Nach einer Verurteilung der Besetzung durch die Vereinten Nationen griff eine von den USA geführte Koalition ein und befreite Kuwait. Irakische Truppen zündeten vor ihrer Kapitulation allerdings noch etliche Ölfelder Kuwaits an.
Reaktion auf diesen Golfkrieg: Aktienmärkte brachen nach dem Einmarsch des Iraks in Kuwait sofort ein, das zeigte sich auch am S&P 500-Index. Doch schon bald erholten sich die Kurse wieder, schon ein Jahr nach dem irakischen Angriff erreichte der Index über 108 % des Vorkriegsniveaus, knapp 10 Jahre nach Kriegsbeginn waren es 409 %.
„Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern?“ – stimmt das also?
Die Aktienkurse weltweit sind derzeit sehr volatil. Das liegt allerdings nicht nur am Ukraine-Krieg, sondern auch an anderen Faktoren wie der hohen Inflation und der Sorge um mögliche Zinserhöhungen.
Für Anleger bedeutet das konkret:
- In schwächeren Marktphasen kann es sich tatsächlich lohnen, zusätzlich in die Märkte zu investieren – gerade für Anleger, die langfristig denken. In allen untersuchten Konflikten der Vergangenheit ergibt sich schon zehn Jahre nach Kriegsbeginn ein Kursplus für den S&P 500, von bis zu 309 Prozent.
- Mit einem monatlichen Sparplan profitieren Anleger automatisch von diesem Effekt: Für den festgelegten Betrag werden in schwachen Marktphasen dann entsprechend mehr Anteile gekauft. Umso stärker profitieren die Anleger dann, wenn die Aktienkurse sich dann wieder erholen.
- Nach dem Prinzip „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ wird aktuell von einigen auf steigende Kurse bei einzelnen Rüstungskonzernen oder Waffenherstellern gesetzt. Insbesondere in Deutschland, wo die Koalition ein Sondervermögen für die Bundeswehr zur Verfügung stellen will. Allerdings sind diese Werte in den letzten Tagen teilweise schon stark gestiegen, mit solchen Einzelaktien gehen Anleger also ein hohes Risiko ein, weil die Höchstkurse möglicherweise schon erreicht sind. Gleiches gilt auch für Hersteller, die auf regenerative Energiegewinnung setzen. Auch diese Aktien waren durch die Diskussion um einen möglichen Stopp russischer Erdöl- und Erdgas-Importe gestiegen.
- Privatanleger und Firmenkunden sind mit einem möglichst breiten Portfolio besser vor dem Risiko in solchen Marktphasen geschützt. Das bestimmte Branchen aktuell besonders betroffen sind (etwa die Autobranche oder Banken) wirkt sich so deutlich weniger auf die eigene Geldanlage aus. Die Anlagestrategien von growney bilden deshalb bis zu 5.000 Aktien aus mehr als 40 Ländern ab.
- Eigene Ziele beachten: Die Frage, ob man jetzt im Krieg Aktien verkaufen sollte, hängt ja auch von den persönlichen Zielen und dem Anlagehorizont – also der voraussichtlichen Investmentdauer – ab. Gerade wer ein langfristiges persönliches Ziel wie Vermögensaufbau oder Altersvorsorge hat, muss eine zwischenzeitliche Schwächephase der Kapitalmärkte nicht fürchten.
- Trotz der starken Sanktionen gegen Russland und der Sorge um die Energiepreise sind die wirtschaftlichen Fundamentaldaten gut, es ist also trotz Krieg mit einem weiteren weltweiten Wirtschaftswachstum zu rechnen. Nur ein Beispiel: Ein Ökonom des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo hat gerade erst in einem Interview geäußert, dass die Experten für 2022 in Deutschland mit einem Wachstum von etwa 3 Prozent rechnen.