Seit dem 24. Februar tobt ein Krieg in Europa - der russische Präsident Wladimir Putin schickte seine Truppen zum Angriff auf die Ukraine. Die Regierung in Kiew hat den Kriegszustand ausgerufen, versucht …
++ Russische Banken: Auch deutsche Kunden betroffen ++
++ Aktien aus Russland kaum noch handelbar ++
++ Auswirkungen auf ETFs und growney-Portfolio ++
++ Russland-Anleihen erreichen Ramschniveau ++
++ Bitcoin als Ersatzwährung? ++
++ Viele Lieferungen gestoppt ++
++ Rohstoffe und Energiepreise ++
++ Langfristige Auswirkung auf die Wirtschaft++
Russische Banken: Auch deutsche Kunden betroffen
Durch die Sanktionen wurden russische Banken aus dem Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen. Das betrifft die VTB Bank als zweitgrößte Bank Russlands, ebenso folgende Institute: VEB, Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Rossiya Bank, Sovcombank. Normale Überweisungen auf Konten dieser Banken sind daher nicht mehr möglich. Andere russische Banken wie die Gazprombank oder Sberbank sind davon bislang nicht betroffen, es gibt aber Forderungen auch sie von SWIFT auszuschließen.
Das Beispiel Sberbank zeigt, dass die Institute dennoch betroffen sind. So stellte ein Tochterunternehmen der Bank, die Sberbank Europe AG in Österreich, ihren Betrieb ein. Weil viele Kunden ihr Geld abgezogen hatten, kann sie offenbar keine Forderungen mehr bedienen, die Finanzaufsicht untersagte daher den Geschäftsbetrieb. Der Großteil der 35.000 Kunden kommt aus Deutschland, die Sberbank hatte Sparer mit höheren Zinsen für Festgeld angelockt. Das angelegte Geld ist allerdings nicht verloren, durch die gesetzliche Einlagensicherung in Österreich werden bis zu € 100.000 je Kunde erstattet. Die VTB Bank nimmt mit ihrer europäischen Tochter in Frankfurt aktuell keine Kunden mehr an.
Durch die Sanktionen arbeiten auch Zahlungsdienstleister wie Visa, Mastercard, American Express, Paypal oder Apple Pay nicht mehr mit russischen Banken zusammen. Zahlungsverkehr mit Russland ist kaum noch möglich. Am stärksten wirkt sich die Situation direkt in Russland aus: Dort bilden sich lange Schlangen vor Banken und Automaten, für russische Banken kann so schnell ein zusätzliches Liquiditätsproblem entstehen.
Aktien aus Russland kaum noch handelbar
Durch die Sanktionen gegen russische Unternehmen waren Aktien aus Russland schon in den ersten Tagen nach dem Angriff auf die Ukraine von einem regelrechten Kursabsturz betroffen, die Börse Moskau setzte daraufhin am 28. Februar den Aktienhandel aus, auch an anderen Börsenplätzen werden kaum noch russische Aktien gehandelt. Seit Einmarsch in die Ukraine sind die Kurse vieler russischer Unternehmen um 90 oder sogar 99 Prozent gefallen.
Wer also russische Aktien besitzt, kann diese derzeit so gut wie nicht verkaufen – und wenn dann nur mit hohen Verlusten. Für russische Unternehmen bedeutet das vor allem, dass Ihnen kein Zugang zum Kapitalmarkt mehr möglich ist und damit eine wesentliche Finanzierungsmöglichkeit fehlt.
Betroffen sind davon aber auch alle Unternehmen, die in Russland Firmenbeteiligungen gehalten haben, diese Beteiligungen aber jetzt aufgeben wollen. Vor allem im Energiebereich gab es viele solcher Kooperationen bzw. Joint Ventures. Da sich die Anteile nicht verkaufen lassen, bleibt vielen Unternehmen nur, ihre Beteiligungen in Russland abzuschreiben.
Auswirkungen auf ETFs und growney-Portfolios
Der Finanzdienstleister MSCI hat bereits reagiert und russische Werte aus seinem Emerging Markets Index komplett entfernt. Das wirkt sich direkt auf alle ETFs aus, die den Index abbilden und damit auch auf alle growney-Portfolios: Russische Aktien sind nicht mehr enthalten. Dies geschieht automatisch, Anleger selbst müssen also nichts tun.
- In den klassischen Portfolios wird der Index MSCI Emerging Markets abgebildet. Die Veränderung des Index wird durch betreffenden ETF (LU0635178014) automatisch umgesetzt, bis spätestens 9.3.2022. Da der ETF synthetisch angelegt ist, wird der Index durch Finanzinstrumente abgebildet und nicht über den direkten Kauf von Aktien. Die Änderung kann also problemlos vorgenommen werden, da keine russischen Aktien verkauft werden müssen. Der Anteil russischer Werte in den Portfolios war schon vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs gering, betrug beispielsweise in der grow50-Strategie 0,6 Prozent.
- In den nachhaltigen Portfolios wird der Index MSCI EM SRI berücksichtigt. Auch hier wirkt die Änderung des Index sich auf den ETF (IE00BGDQ0T50) aus. Bislang waren exakt zwei russische Firmen darin enthalten, die nun künftig nicht mehr berücksichtigt werden. Da der ETF physisch replizierend ist, sind die Aktien anteilig tatsächlich enthalten. Können sie aufgrund der aktuellen Lage weder über die Börsen noch über Zweitmärkte verkauft werden, so werden die Anteile ausgebucht und beeinflussen die weitere Entwicklung des ETFs nicht mehr. Insgesamt machten die russischen Aktien bei nachhaltigen Portfolios nur einen sehr geringen Anteil aus, für die Strategie growgreen50 waren es vor dem Ukraine-Krieg gerade einmal 0,18 Prozent.
- Auf den Anleiheanteil der growney-Portfolios wirkt sich die Entscheidung nicht aus. In allen growney-Strategien werden ausschließlich Euro-Anleihen berücksichtigt. Teilweise kommen die Emittenten von Unternehmensanleihen (ETF DE000ETFL383 bei klassisch, ETF LU1484799769 bei nachhaltig) dabei zwar auch aus nicht Euro-Ländern (z.B. Großbritannien oder Norwegen). Russland war und ist aber nicht dabei.
Problematischer ist die Situation für reine Länderfonds, etwa ETFs auf den MSCI Russia oder aktive Aktienfonds mit dem Schwerpunkt Russland bzw. Osteuropa. Viele Fondsgesellschaften haben solche Fonds derzeit eingefroren, sie werden also nicht mehr verkauft. Problem ist allerdings, dass aktive Fonds und physische ETFs ihre Positionen angesichts des Handelsstopps russischer Aktien nicht abbauen können. In allen growney-Strategien kommen ETFs mit Schwerpunkt Russland oder Osteuropa nicht vor.
Russland-Anleihen auf Ramschniveau
Besonders stark getroffen haben die Sanktionen die russische Zentralbank. Sie kann nicht mehr auf ihre Währungsreserven in US-Dollar oder Euro zurückgreifen, hat so keine Chance den dramatischen Kursrutsch des Rubel aufzuhalten. Die größten Ratingagenturen Standard & Poor, Moody’s und Fitch haben die Kreditwürdigkeit Russlands bereits auf Ramschniveau gesenkt. Wer Russland aktuell Geld leiht, muss demnach mit einem hohen Zahlungsausfall rechnen. Die Bewertung könnte sogar noch weiter gesenkt werden, falls Russland es nicht mehr möglich sein sollte, fällige Zinszahlungen an internationale Anleger zu leisten. Das betrifft sowohl die Zentralbank als auch russische Unternehmen.
In der Hoffnung, trotzdem Anleger anzulocken, hatte die russische Zentralbank am 28. Februar den Leitzins auf 20 Prozent erhöht, konnte damit aber keinen wesentlichen Effekt auf den Kapitalmärkten erreichen.
Viele Lieferungen gestoppt
Mittlerweile haben viele internationale Unternehmen ihren Handel mit und ihre Aktivitäten in Russland eingestellt. Dazu gehören beispielsweise Apple, Nike, Ikea, Airbus, Boeing, airbnb, SAP, Samsung, Starbucks, Coca-Cola, McDonald’s, H&M, Nokia, zahlreiche Autohersteller (u.a. VW, BMW, Daimler, Ford, Toyota, Porsche, Volvo, Renault, Jaguar) sowie Logistikunternehmen (u.a. DHL, UPS, FedEx) und Reedereien wie Maersk oder Hapag Lloyd. Die Handelsketten Aldi, Rewe, Penny sowie die Edeka-Tochter netto haben angekündigt, keine Produkte russischer Unternehmen mehr zu verkaufen.
Durch solche Maßnahmen sinken natürlich die Absatz- und Geschäftszahlen – sie haben also eine unmittelbare Auswirkung auf die Wirtschaft. Allerdings hat der Absatzmarkt Russland nur für wenige Unternehmen eine wesentliche Bedeutung. Viel stärker dürfte der Abbruch von Geschäftsbeziehungen das Wirtschaftsleben in Russland beeinflussen.
Bitcoin als Ersatzwährung?
Zunächst schienen Bitcoin und andere Kryptowährungen von den Sanktionen gegen Russland zu profitieren. Experten vermuten als Ursache eine Flucht in die Digitalwährungen durch Menschen in Russland, u.a. war die Kryptobörse Yobit in Russland tagelang ein Twittertrend. Durch den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine und die Angst, nicht mehr an das Kontoguthaben zu kommen waren aber auch in der Ukraine größere Umtauschmengen in Richtung Bitcoin als üblich beobachtet worden. Die Ukraine hatte international dazu aufgerufen, mit Bitcoin-Spenden oder anderen Kryptowährungen die Verteidigung gegen die russischen Truppen zu unterstützen.
Gezielt soll allerdings verhindert werden, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen zu einer Möglichkeit werden, die Sanktionen zu umgehen. Als Reaktion kündigte das Krypto-Startup Bitpanda an, alle Ein- und Auszahlungen von russischen Banken seien deaktiviert worden. Auch die US-Regierung hat bereits angekündigt, dass sie gegen solche Versuche die Sanktionen zu umgehen vorgehen wird.
Rohstoffe und Energiepreise
Erdöl und Erdgas sind für die russische Wirtschaft die wichtigsten Exportprodukte. Fast die Hälfte der russischen Exporte waren 2020 Erdöl und Erdgas oder daraus verarbeitete Produkte. Dazu kommt ein hoher Anteil an Kohle, Eisen, Stahl, Aluminium und Edelmetallen sowie Holz und Nahrungsmitteln.
Russlands Wirtschaft ist also in hohem Maße von diesen Produkten abhängig. Besonders stark gehen diese Erdöl- und Erdgas-Exporte nach Europa (Niederlande, Deutschland, Polen, Italien, Finnland, Belgien) sowie nach China, Südkorea und Japan.
Nachdem mittlerweile immer mehr über russische Attacken auf Zivilbevölkerung, Wohnviertel und zentrale Versorgungseinrichtungen wie Stromleitungen und Kraftwerke bekannt werden, wird über eine Ausweitung der Sanktionen diskutiert, also auch den Import von Erdöl und Erdgas aus Russland zu stoppen. Gerade Deutschland würde dies treffen, Öl und Gas werden nicht nur zur Stromproduktion und zum Heizen verwendet, sondern sind auch als Rohstoff für die Industrie wichtig, etwa für Chemie und Pharmaunternehmen. Die Bundesregierung hat bereits Teile ihrer Ölreserven freigegeben, damit soll die derzeit drastische Preisentwicklung gedämpft werden.
Schon in den vergangenen Monaten ist der Ölpreis international stark gestiegen – und verteuert damit die Herstellungs- und Transportkosten vieler Waren. Die Befürchtung: Eine weitere Eskalation könnte eine Einschränkung oder einen Stopp der Energielieferungen aus Russland nach sich ziehen und damit die Industrieproduktion in Deutschland und anderen Ländern empfindlich treffen. Profitieren könnten andere Exportländer sowie alle Unternehmen, die sich mit Herstellung alternativer Technologien und nachhaltiger Energiegewinnung befassen.
Langfristige Auswirkung auf die Wirtschaft
Russlands Präsident Wladimir Putin scheint entschlossen, im Ukraine-Krieg kein bisschen nachzugeben. Die Sanktionen gegen Russland könnten also lange in Kraft bleiben, das Land wäre dann weitestgehend von Außenhandel und normalen wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen abgeschnitten. Das trifft Länder besonders stark, die viel Handel mit Russland treiben – also Waren nach Russland liefern oder Produkte bzw. Rohstoffe aus Russland kaufen.
In einer Simulation haben Forscher am Kieler Institut für Wirtschaft (IfW Kiel) und des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) berechnet, wie sich das auf die Wirtschaft etlicher Länder weltweit auswirken würde. Dabei wurden gegenseitige Strafzölle simuliert, die aktuellen Sanktionen gegen Russland konnten im Detail noch nicht berücksichtigt werden.
Ergebnis: Einige Länder würden sogar profitieren. Norwegen würde durch einen solchen Handelskrieg profitieren, die jährliche Wirtschaftsleistung würde langfristig um 0,55 Prozent steigen. Auch für Australien (+0,07 %), China (+0,02 %) und Kanada (+0,01 %).
Bei den USA ergibt sich ein geringfügiges Minus (-0,04 %), für Deutschland beträgt der Abschlag durch ein deutlich verschlechtertes Verhältnis mit Russland 0,4% des Bruttoinlandsprodukts. Stärker betroffen sind osteuropäische Länder wie Bulgarien (-1,11 %), Tschechien (- 1,16 %), die Slowakei (-1,68) und die Baltikum-Staaten Estland (-1,98), Lettland (-2,02%) und Litauen (-2,48%).
Durchschnittlich würde es sich auf die Wirtschaft der EU-Staaten und ihrer Verbündeten aber nur gering auswirken: minus 0,17 % der gesamten Wirtschaftskraft. Für Russland wäre der Effekt deutlich stärker: Um -9,71% wird die Wirtschaftskraft des Landes jährlich gemindert.
Wie geht es weiter?
Experten gehen bereits davon aus, dass die russische Wirtschaft durch die Folgen des Ukraine-Kriegs über Jahre von der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden könnte.
Die Folgen wären – wie in der Simulation der Forscher von IfW Kiel und WIFO - vor allem in Russland zu spüren. Auf ein international breit gestreutes Portfolio, das keine russischen Wertpapiere enthält, dürfte sich das weit weniger auswirken.