Überlegen Sie auch manchmal, ob Sie an der Börse zocken sollen? Die ständigen Erfolgsmeldungen verführen ja schon ein bisschen.
In der Nacht zum 23. Oktober stieg das letzte TV-Duell zwischen den Bewerbern. Die Debatte wurde mit großer Spannung erwartet. Denn für die Endphase des Wahlkampfes stellt sich die Frage: Kann es Trump noch einmal gelingen das Ruder herumzureißen und doch noch seine Wiederwahl zu erreichen? Das TV-Duell kann entscheidend sein für die US-Wahl: Die Wähler, die bislang noch nicht entschieden haben, für wen sie bei der US-Wahl stimmen sollen, könnten hier die entscheidenden Argumente geliefert bekommen.
Bei der US-Präsidentschaftsdebatte in Nashville (Tennessee) in der Nacht zu Freitag galten diesmal strenge Regeln. Die Mikrofone der beiden wurden teilweise stummgeschaltet, damit die Präsidentschaftskandidaten ihrem jeweiligen Kontrahenten nicht einfach dazwischenreden können - eine Neuerung, die vor allem als Anti-Trump-Regel gewertet wurde.
Bei der ersten Debatte war nämlich zu sehen, wie Trump seinen Herausforderer immer wieder unterbrach, selbst der TV-Moderator des Duells schien dagegen machtlos. Auch Biden war sichtlich genervt, schleuderte Trump ein “Halt’s Maul” entgegen. Auch ansonsten kritisierte er US-Präsident Trump scharf, nannte ihn aber so gut wie nie beim Namen. Meist sprach Biden nur von “ihm” oder “diesem Mann”.
Was bedeutet die US-Wahl für Anleger?
Schon jetzt wird aber gerätselt, wie die US-Wahl ausgeht: Was sagen die Umfragen? Was wäre, wenn Trump gewinnt? Was bedeutet ein Sieg von Biden für die Börse? Welche Branchen sind besonders von der US-Wahl betroffen? Und was wäre bei einem unklaren Wahlausgang in den USA?
Die Wahl zum US-Präsidenten wirkt sich jedenfalls schon jetzt auf die Wirtschaft aus: Die wichtigsten Börsen der Welt verzeichnen ein munteres Auf und Ab. Selbst professionelle Anleger reagieren manchmal verschreckt, sobald US-Präsident Trump twittert - und dort ab und zu auch mal Drohungen ausspricht. Die aktuelle Coronakrise tut ihr übriges, weil die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie und ihrer Auswirkungen noch nicht so ganz klar ist.
Das wichtigste vorab: Große Sorgen bereiten muss die US-Wahl Investoren überhaupt nicht. Es gibt aber unterschiedliche Szenarien für mögliche Wahl-Ergebnisse.
Was wäre, wenn Trump gewinnt?
US-Präsident Trump präsentiert sich immer wieder gern als Freund der Wirtschaft und als “Dealmaker”. Tatsächlich hat er für Unternehmen und Privatpersonen in den USA die Steuern gesenkt und staatliche Regulierungen gelockert. Entsprechend zeigt sich der US-Präsident überzeugt, dass die positive Entwicklung an den Börsen vor allem ihm selbst zu verdanken ist. Insbesondere wird hier aus dem Trump-Lager immer wieder die Technologie-Branche angeführt, die in der Tat in den vergangenen Jahren kräftige Kursgewinne verbuchte.
Bei einem Wahlsieg dürfte Trump hier weitermachen wollen. Eine Unterstützung für die US-Konjunktur dürfte auch Trumps Versprechen sein, weitere Billionen als Hilfe in der Coronakrise bereit zu stellen: Er sei bereit, mehr als 2,2 Billionen Dollar dafür auszugeben, hatte der US-Präsident zuletzt bekundet. Davor hatte er allerdings die Verhandlungen über ein erneutes Hilfspaket gestoppt. Dies werde es erst nach den Wahlen geben, hatte er angekündigt.
Bei einer Wiederwahl Trumps dürften Firmen, die auf regenerative Energiegewinnung setzen, es in den USA schwer haben. Der US-Präsident betonte im TV-Duell: Die Windkraft sei noch noch lange nicht ausgereift, außerdem führte er als Argument gegen diese Technologie an, dass die Anlagen aus Deutschland oder China kommen würden. Er dagegen setze auf die traditionelle Ölindustrie aus dem Süden der USA. Über Bidens Pläne sagte Trump: “Was er sagt ist, dass er die Ölindustrie zerstören wird.”
Zudem hat Trumps Kurs “America First” sich wenig positiv auf den Welthandel ausgewirkt. Als Drohung setzte Trump auch immer wieder Strafzölle und Protektionismus ein – etwa gegen China oder die Europäische Union. Betroffen davon war etwa auch die deutsche Autoindustrie, die nach dem Abgas-Skandal in den USA ohnehin einen schwereren Stand hatte.
Was bedeutet ein Sieg von Biden für die Börse?
US-Präsident Donald Trump malt immer wieder ein Schreckgespenst an die Wand: „Wenn Joe Biden gewinnt, dann werden die Aktienmärkte einbrechen.“ Ein Wahlsieg Bidens wäre “ein sehr, sehr trauriger Tag für dieses Land”, betonte Trump auch noch einmal im TV-Duell. Er wirft seinem Gegenkandidaten vor, ein Sozialist zu sein – und in manchen Bereichen eine Verstaatlichung anzustreben.
Doch dergleichen ist nicht zu befürchten. Das “Handelsblatt” schildert sogar, dass die Finanzwirtschaft in Biden einen verlässlicheren US-Präsidenten sieht als in Trump: “Neben der Infektion des Präsidenten und rund einem Dutzend seiner Mitarbeiter sehen viele auch das Hin und Her um ein neues Konjunkturpaket, über das Trump in Gänze erst nach der Wahl am 3. November verhandeln will, als deutliches Warnzeichen. Statt weitere vier Jahre unter einem erratischen Präsidenten sehnen sich viele Anleger nach mehr Stabilität aus Washington.”
Dabei hat Biden angekündigt, die Körperschaftssteuer wieder anzuheben – und auch Privatpersonen ab 400.000 US-Dollar Jahreseinkommen stärker zu besteuern. Trump griff diesen Punkt im TV-Duell noch einmal auf - und warf seinem Kontrahenten an den Kopf: “Er möchte die Steuern für alle erhöhen”.
Die Demokraten um Biden haben außerdem bereits angekündigt, auf die Coronakrise mit einem weiteren Konjunkturpaket zu reagieren – und mit solchen Billionen-Zuschüssen die Wirtschaft zu stützen. Hier gibt es aber keinen großen Unterschied zu Donald Trump, allerdings wird Biden mittlerweile in der Wirtschaft als verlässlicher angesehen.
Zudem gibt es ganz Branchen, die sich über einen Wahlsieg Bidens freuen dürften: So gilt als sicher, dass er das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben wird – eine gute Nachricht für alle Firmen, die sich dem Schutz von Ressourcen und sozialer Verantwortung verschrieben haben. Auch die Technologie-Branche dürfte davon profitieren, weil viele nachhaltige Entwicklungen vor allem auf smarter Technik und Innovation beruhen. Ähnlich dürfte sich die Pharma- und Gesundheitsbranche freuen, weil Biden stärker das Thema Krankenversicherung und Absicherung im Krankheitsfall angehen möchte. Auch im TV-Duell betonte der Kandidat noch einmal: “Jeder sollte das Recht auf eine bezahlbare Gesundheitsversorgung haben.”
Worauf es bei der US-Wahl ankommt
Wichtig ist beim Ergebnis der US-Wahl aber nicht nur, wer Präsident wird – es geht vor allem um das wie. Denn am Wahltag (3. November 2020) wird nicht nur über den neuen US-Präsidenten abgestimmt. Auch das Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats werden neu gewählt. An den Börsen schaut man vor allem darauf, ob der künftige Präsident auch mit einer Mehrheit in diesen beiden Kammern des Parlaments rechnen kann. Aktuell weiß Trump zwar eine knappe Mehrheit im Senat hinter sich (53 von 100 Abgeordneten), das Repräsentantenhaus wird dagegen von der Demokratischen Partei Joe Bidens dominiert.
Die Schweizer Bank UBS sieht aktuell eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, das Biden künftig mit einer Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus regieren wird. Dieses Szenario wird – nach der Farbe der Demokraten – auch als “blaue Welle” bezeichnet. Der umgekehrte Fall einer “roten Welle”, d.h. Trump bleibt US-Präsident und hat eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, sieht die UBS nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent.
Historisch gesehen haben sich die Märkte immer am besten entwickelt, wenn der US-Präsident auf eine solche Mehrheit zählen konnte. Anders ist es, wenn der Präsident nicht auf eine entsprechende Mehrheit zählen kann: Dann sind mehr Kompromisse notwendig, die Politik der größten Wirtschaftsmacht wird schwieriger. Die UBS sieht eine Wahrscheinlichkeit von 10 Prozent, dass dies Biden passieren könnte - und von 35 Prozent, dass Trump im Amt bleibt, aber im Parlament keine Mehrheit hat.
Eine wirkliche Gefahr für Weltwirtschaft oder Börsen stellt dies allerdings nicht dar. Die “Neue Zürcher Zeitung” hat bereits anhand von Bloomberg-Daten aufgezeigt, dass nahezu alle US-Präsidenten seit 1933 dem wichtigsten US-Index (S&P500) satte Gewinne bescherten: zwischen einem jährlichen Plus von 8,8 % (unter John F. Kennedy, 1961-63) bis zu 17,4 % (unter Bill Clinton, 1993-2001).
Ausnahmen gab es nur zwei: Unter George W. Bush, in dessen Amtszeit die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der Beginn der Finanzkrise 2009 fielen (Rendite: -4,5 % p.a.) und unter Richard Nixon zur Zeit des Vietnamkriegs und der Ölkrise (Rendite: -0,9 % p.a.).
Was heißt das Ergebnis der US-Wahl für Anleger?
Für die Entwicklung an den weltweiten Börsen ist vor allem wichtig, wie sich die Unternehmen entwickeln – und wie ihre Zukunftsaussichten beurteilt werden. Die US-Wahl dürfte daher gar nicht so stark ins Gewicht fallen. Es kann aber je nach Wahlausgang einige Verschiebungen geben. So rechnen die Analysten der Deutschen Bank damit, dass bei einem Wahlsieg Bidens mit “blauer Welle” insbesondere Schwellenländer besonders stark profitieren könnten.
Wer also langfristig weltweit anlegt, kann die Wahlentscheidung in den USA ganz entspannt abwarten. Das gilt insbesondere, wenn das Investment auf mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte angelegt ist – etwa für die eigene Altersvorsorge oder die Vermögensbildung. Wer auf growney als digitale Vermögensverwaltung setzt, ist tatsächlich mit einem Weltmarkt-Portfolio extrem breit aufgestellt – bis zu 5.000 Aktienwerte aus 45 Ländern sind dabei enthalten.
Damit ist das Portfolio weit weniger von Schwankungen durch die US-Wahl betroffen als beispielsweise der sogenannte “Weltindex” MSCI World, der eine starke Gewichtung mit US-Aktien aufweist – und deswegen auch schon in die Kritik geraten ist.
Der Chef der Vermögensverwaltung Fundamental Capital urteilte bereits: “Die bevorstehende US-Wahl ist für Anleger eigentlich nicht besonders wichtig”. Seine Begründung: “Die Börsianer haben sich darauf bereits vorbereitet. Gewinne sind gesichert, die Portfolios robust aufgestellt. Ihnen wird die Wahl keine Kopfschmerzen bereiten.”
Wer steht zur Wahl in den USA 2020?
Am 3. November 2020 tritt der amtierende US-Präsident Donald Trump zur Wiederwahl an, im Team mit seinem bisherigen Stellvertreter Mike Pence. Beide treten für die Republikaner an.
Trumps Herausforderer ist Joe Biden, der unter dem früheren US-Präsidenten Barack Obama das Amt des Vize-Präsidenten inne hatte. Er kandidiert für die Demokraten, an seiner Seite ist Kamala Harris Kandidatin für das Amt des Vize-Präsidenten.
Angesichts des hohen Alters von Trump (74) und Biden (77) gilt den Kandidaten für das Amt des Vize-Präsidenten diesmal besonders hohes Augenmerk. Sie übernehmen im US-Wahlsystem automatisch, sollte der US-Präsident dazu nicht mehr in der Lage sein (oder sogar sterben).
Neben den Wahlvorschlägen Trump-Pence und Biden-Harris stehen auch noch drei weitere Kandidatenpaare zur Wahl: von den Libertären, den Unabhängigen und den Grünen. Allen drei wird aber keine große Chance eingeräumt.
Komplett neu gewählt wird außerdem das komplette Repräsentantenhaus (435 Sitze) sowie rund ein Drittel des Senats (35 von 100 Sitzen).
Wie stehen die Umfragen zur US-Wahl 2020?
Argwöhnisch werden auch die Umfragen zur US-Wahl begutachtet. Denn vor vier Jahren sahen sie einen Sieg der Demokratin Hillary Clinton gegen Donald Trump voraus. Es kam aber bekanntlich anders. Das damalige Wahlergebnis: Clinton bekam zwar die meisten Wählerstimmen, Trump konnte aber die meisten Wahlmänner für sich gewinnen – und wurde so US-Präsident.
Aktuelle Umfragen sehen Biden in der Wählergunst deutlich vorn: Er liegt teilweise 10 Prozentpunkte vor Trump (52 % zu 42 Prozent). Entscheidend ist aber, wer im Gremium der 538 Wahlmänner eine Mehrheit von 270 Stimmen zustande bekommt. Und hier gibt es zwar eine Tendenz für Biden, aber noch lange keine Entscheidung:
- Joe Biden kann sicher mit 183 Wahlleuten rechnen
- bei 96 weiteren gilt: Tendenz für Biden
- Donald Trump dürfte 72 Wahlleute sicher haben
- bei 53 Wahlmännern gilt: Tendenz für Trump
(Stand: 30.10.2020)
Der Rest gilt noch als umkämpft. Dabei handelt es sich vor allem um die sogenannten Swingstates, die sich mal für die Republikaner (die Partei Trumps) und mal für die Demokraten (Bidens Partei) entscheiden. Bei der US-Wahl 2020 gelten vor allem die Staaten Iowa, Arizona, Texas, Georgia, Florida, North Carolina und Ohio als umkämpft zwischen den Kandidaten.
US-Wahlsystem: Wie wird in den USA ein Präsident gewählt?
Der Präsident wird erst über einen Monat nach dem Wahltermin (3. November 2020) vom Gremium der Wahlmänner gewählt, dem sogenannten Electoral College. Termin dafür ist der 14. Dezember 2020. Die Wahlmänner kommen allerdings nicht für die gesamten USA zusammen, sondern treffen sich jeweils in ihrem Bundesstaat. Alle 50 Bundesstaaten sowie der sogenannte “Bundesdistrict” Washington D.C. beteiligen sich so daran.
Sie stimmen dann darüber ab, wer US-Präsident und Vize-Präsident wird.
Wer wählt die Wahlmänner in Amerika?
Die Wahlmänner werden in jedem einzelnen der 50 Bundesstaaten der USA sowie im “Bundesdistrict” Washington D.C. gewählt. Dabei gilt das Mehrheitswahlrecht und in der Regel das “Winner takes it all”-Prinzip. Das heißt: Die Partei, die in einem Bundesstaat die Mehrheit der Stimmen bekommt, darf sämtliche Wahlleute für diesen Staat stellen.
Einzige Ausnahme von diesem Prinzip sind Nebraska und Maine: In diesen Staaten werden die Stimmen nach Wahlkreisen bestimmt: Diejenige Partei, die im Wahlkreis die Mehrheit erlangt, darf für diesen Wahlkreis einen Delegierten ins “Electoral College” entsenden.
Wie viele Wahlmänner einem Bundesstaat zustehen, hängt von der Bevölkerungszahl ab – es sind allerdings mindestens drei. Kalifornien als bevölkerungsreichster US-Bundesstaat darf 55 Delegierte entsenden, Texas 38, Florida und New York jeweils 29.
Bis wann ist Trump im Amt?
Die Amtseinführung des neuen US-Präsidenten (“inauguration day”) ist der 20. Januar 2021. Sollte Trump die US-Wahl verlieren, ist er solange noch als US-Präsident im Weißen Haus. Vor der Amtsübergabe stehen bei der US-Wahl noch folgende Termine an:
- 8. Dezember 2020: Bis zu diesem Tag müssen die einzelnen Bundesstaaten ihr Wahlergebnis zweifelsfrei festgelegt haben
- 14. Dezember 2020: Im Electoral College, dem Gremium der Wahlmänner, wird der US-Präsident und der Vize-Präsident gewählt
- 6. Januar 2021: Senat und Repräsentantenhaus überprüfen in einer gemeinsamen Sitzung das Wahlergebnis des Electoral College und bestätigen es.
Geht Trump als Gewinner aus der Wahl am 3. November 2020 hervor, wäre er vier weitere Jahre im Amt, also bis zum 20. Januar 2025. Dann könnte er aber nach geltendem Recht nicht erneut wiedergewählt werden.