Der Ukraine-Krieg bewegt uns alle, hat unseren Alltag verändert: Im Fernsehen und in den sozialen Netzwerken sehen wir die schrecklichen Kriegsbilder: Zerstörte Städte nach russischen Luftangriffen, …
Beispielhaft soll hier für den Gaza-Krieg gezeigt werden, wie sich solche Konflikte auf die Kurse auswirken können – oder eben nicht. Es werden verschiedene Aktienindizes untersucht und die Veränderungen seit dem Beginn des Gaza-Kriegs analytisch bewertet. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie stark sich ein Konflikt auf die Börsenkurse und die wirtschaftlichen Erwartungen auswirken kann.
Wie an den Kapitalmärkten üblich, spielen dabei sicherlich auch psychologische Aspekte eine Rolle.
Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“
Komplett lautet die Börsenweisheit: „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern. Verkaufen, wenn die Violinen spielen.“
Dahinter stecken folgende Überlegungen:
- Durch den Kriegsausbruch entsteht zunächst eine Verunsicherung. Die Unklarheit über die weitere Entwicklung führt dazu, dass Anleger vermeintlich sicherere Anlagen wie Gold, festverzinsliche Papiere (Anleihen) oder international bedeutende Währungen (Euro, US-Dollar) bevorzugen.
- Ein Krieg wirkt sich zunächst auch negativ auf die Wirtschaftskraft der beteiligten Länder aus. Transportwege, Energieversorgung und ruhiger Geschäftsbetrieb sind nicht mehr voll und ganz gewährleistet. Der Bedarf an Soldaten verringert zudem die Anzahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
- Diese Faktoren führen zur Angst vor schlechteren Wirtschaftsaussichten und einem Absinken der Börsenkurse.
- Mittelfristig ist die Erwartung der Anleger allerdings folgende: Mit Kriegsende ändert sich die Situation wieder schlagartig. Es muss in den Wiederaufbau investiert werden, zugleich verbessert sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt entsprechend.
- Hinzu kommt: Rüstungsbetriebe und andere Geschäftsbereiche mit Bezug zum Krieg werden in der Kriegsphase steigende Nachfrage verzeichnen. Es gibt also durchaus auch Unternehmen, für die sich durch einen Krieg die Aussichten verbessern. In der ersten psychologischen Reaktion auf einen Kriegsausbruch werden solche Faktoren oft ausgeblendet.
- Für strategisch orientierte Anleger bietet sich also die Chance, bei fallenden Börsenkursen zu investieren und von der späteren Erholung der Märkte umso stärker zu profitieren. Genau das besagt die Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“.
Der genaue Urheber dieser Börsenweisheit ist übrigens nicht bekannt. Zugeschrieben wird der Spruch dem Frankfurter Bankier Carl Mayer von Rothschild (1820-1886). Doch genaue schriftliche Quellen, die dieses Zitat belegen können, gibt es nicht.
Die Kursentwicklungen im Gaza-Krieg
Der Gaza-Krieg ist aus mehreren Gründen ein gutes Beispiel, um die Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ zu überprüfen.
- Der Beginn kam sehr plötzlich und unerwartet. Den brutalen Angriff der Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober 2023 auf israelische Dörfer und ein Musikfestival (mehr als 1.200 Tote, 240 Menschen wurden von der Terrorgruppe aus Israel nach Gaza verschleppt) hatte niemand in dieser Form erwartet.
- Durch die sehr schwierige regionale Lage kann eine Ausweitung des Konflikts nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere durch die Drohungen des Iran und der im Libanon mitregierenden Terrorgruppe Hizbollah sowie der islamistischen Huthi-Milizen im Jemen, Israel auch aus dem Norden und Osten anzugreifen.
- Anders als bei Russlands Angriff auf die Ukraine gab es durch diesen Krieg keine Sekundärfaktoren wie Energiepreisschock oder dadurch verursachte hohe Inflation.
- In den 55 Tagen seit Kriegsausbruch lässt sich der Einfluss verschiedener Ereignisse auf den Kursverlauf gut exemplarisch darstellen, inkl. der knapp einwöchigen Feuerpause zwischen dem 24. November und dem 1. Dezember 2023.
Börse Tel Aviv hat sich deutlich erholt
Wie haben die Börsenkurse auf den Gaza-Krieg reagiert? Am stärksten waren die Kursausschläge am israelischen Aktienmarkt. Der breit gefächerte Aktienindex TA 125 zeigte direkt nach dem Terrorangriff der Hamas ein deutliches Minus. Zeitweise sanken die Kurse um 13,5 % des Niveaus vor Kriegsausbruch. Doch mittlerweile haben sich die Kurse deutlich erholt.
Verglichen mit dem Indexstand vor dem Kriegsausbruch am 7. Oktober 2023 beträgt das Minus mittlerweile weniger als 4 %. Das bedeutet: Wer direkt bei den fallenden Kursen an der Börse Tel Aviv nach Kriegsbeginn investierte, wurde mit einem ordentlichen Plus seitdem belohnt.
Ein Beispiel, das die Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ zu belegen scheint.
Weltweit wichtige Indizes seit Kriegsbeginn im Plus
Betrachtet man den Zeitraum seit Kriegsausbruch, so zeigt sich: Weitaus deutlicher im Plus sind andere weltweite Aktienindizes, z.B. in Europa, den USA oder Japan.
- Bei Dax, EuroStoxx50, S&P500 und Nasdaq 100 beträgt das Plus seit Kriegsbeginn zwischen 5,7 bis 6,5 %.
- Beim japanischen Nikkei225 sind es sogar 8,0 % Wertzuwachs in dieser kurzen Zeit.
Einfluss auf Börsenkurse: Andere Faktoren überlagern den Konflikt
Betrachtet man die einzelnen Ereignisse in dem Zeitraum zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 30. November 2023 so zeigt sich, dass die Börsenkurse von anderen Entwicklungen deutlich stärker beeinflusst wurden als vom Gaza-Krieg.
- 7. Oktober 2023
Raketenangriffe und Überfall der Hamas auf die Grenzregion Israels, brutale Ermordung von mehr als 1.200 Menschen. Einen großen Effekt hat der Angriff eigentlich nur auf die Börse Tel Aviv, europäische Indizes wie Dax und EuroStoxx geben nur leicht nach, US-Indizes steigen leicht. - 16. Oktober 2023
In Reaktion auf den Angriff aus dem von der Hamas regierten Gaza-Streifen und der Verschleppung von 240 Geiseln kündigt Israel eine Bodenoffensive an. Aus dem Iran, Libanon und Jemen wird damit gedroht, dass ein Militäreinsatz Israels im Gaza-Streifen zur Ausweitung der Angriffe auf Israel führen könnten. Die Sorge um eine Ausweitung des Kriegs lässt die Kurse international einbrechen. Nur minimal trifft das den japanischen Nikkei225, weil Japan kaum davon betroffen wäre. - 25. Oktober 2023
Nach Berichten über die ersten Einsätze von israelischen Bodentruppen in Gaza erreichen die Börsenkurse ihr zwischenzeitliches Tief. Am stärksten betroffen, ist die Börse Tel Aviv (-13,5 %). Bei europäischen und US-Aktien beträgt das Minus gegenüber den Werten vor dem 7. Oktober 2023 zwischen 3,1 und 5,8 %. - 1. November 2023
Nachdem bereits die EZB den Leitzins unverändert gelassen hat, erklärt auch die US-Notenbank Fed, dass der Leitzins nicht weiter steigt. Ein klares Entspannungssignal an die Anleger, weil hohe Zinsen es für Unternehmen schwieriger und teurer machen, Kredite aufzunehmen, um ihr Geschäft zu finanzieren. Im Umfeld dieser Zinsentscheidungen steigen die Kurse, auch weil zugleich Inflationsdaten zeigen, dass weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlicher werden. - 3. November 2023
Im Libanon stößt der Chef der Terrorgruppe Hizbollah zwar Drohungen gegen Israel aus. Doch offenbar will die Gruppe sich über kleinere Gefechte an der Nordgrenze Israels hinaus nicht weiter in den Krieg hineinziehen lassen. Auch der Iran hat seine Angriffs-Ankündigungen bislang nicht wahrgemacht. Für Anleger ein Zeichen, dass die mögliche Ausweitung des Gaza-Kriegs unwahrscheinlicher wird und deshalb andere Faktoren wichtiger für die Entwicklung der Börsenkurse sind. Das ist vor allem die Entspannung bei Inflation und Zinspolitik. Die Börsenkurse steigen in den Folgetagen deutlich an. - 23. November 2023
Es wird deutlich, dass ab dem Folgetag ein zeitlich begrenzter Waffenstillstand im Gaza-Streifen gelten soll. Die Ankündigung hat aber kaum noch Einfluss auf die Börsenentwicklung.
„Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ – lohnt sich das wirklich?
De facto konnten Anleger tatsächlich davon profitieren, wenn sie in der schwächsten Kursphase der Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ folgten.
Die zwischendurch große Angst vor einer Ausweitung des Kriegs führte zu Verunsicherung und einer kurzen Schwächephase an den Börsenmärkten. Besonders stark war dieser Effekt an der Börse Tel Aviv zu beobachten. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass der Gaza-Krieg vor allem als regionaler Konflikt betrachtet wird, der mittel- und langfristig kaum Auswirkungen haben wird.
Der große Unterschied zum Ukraine-Krieg, den Russland im Februar 2022 begonnen hat: Durch den Gaza-Krieg scheint erstmal keine Energiekrise oder höhere Inflation zu drohen. Diese Aspekte hatten vor allem in den letzten anderthalb Jahre Aktien- wie Anleihenmärkte deutlich negativ beeinflusst.
Was sagt die Entwicklung über die Börsenweisheit?
Vermeintlich sichere Börsenweisheiten sind ohnehin immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Oft versprechen sie die Vereinfachung von komplexen Vorgängen und Zusammenhängen. Doch so einfach ist es eben oft nicht. Wie sich am Beispiel des Gaza-Kriegs zeigt, unterliegen die Kurse unterschiedlichen Einflüssen. Die Börsenentwicklung auf einen einzigen Aspekt zu reduzieren, ist eben zu einfach. Aktienmärkte sind durchaus komplexer.
Mit Ausnahme der Börse in Tel Aviv ist die positive Kursentwicklung im Wesentlichen eben nicht auf den Gaza-Krieg zurückzuführen, sondern auf andere Einflüsse wie die Zinsentwicklung im Euro-Raum und beim US-Dollar. Zudem mehren sich die Anzeichen, dass die wirtschaftliche Entwicklung weltweit stabil bleibt – mit wenigen Ausnahmen. Die aktuelle Rezession in Deutschland ist eine davon.
Immerhin scheint die Börsenweisheit „Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern“ nicht ganz falsch zu sein. Kurzfristige Kurseinbrüche, die durch Schock-Ereignisse verursacht werden, sind jedenfalls für mittel- bis langfristig orientierte Anleger ein gutes Momentum, um mit zusätzlichen Investitionen von der Erholung der Börsenkurse zu profitieren.
Strategischer Tipp für Anleger: Langfristig denken
Grundsätzlich zeigen solche Beispiele eines: Für Anleger lohnt es sich, mittel- bis langfristig zu denken und der Anlagestrategie auch in kurzfristigen Schwächephasen, wie sie beispielsweise ein Krieg auslösen kann, treu zu bleiben.
Das zeigt nicht nur die Untersuchung des bislang recht kurzen Zeitraum des Gaza-Krieges. Auch langfristige Betrachtungen bestätigen das. Beispiel dafür ist etwa der Fall einer Mietkaution, die sich über Jahrzehnte von knapp 410 Euro auf mehr als 115.000 Euro entwickelte – obwohl es in diesem Zeitraum etliche Krisen gab (Energiepreis-Schock, hohe Inflation, Rezession, Börsenkrisen).
Gerade wer Ziele wie Vermögensaufbau, Absicherung der Familie oder der eigenen Altersvorsorge oder Sparen für bestimmte Ziele verfolgt, tut also gut daran, solche Krisenphasen mit Geduld anzugehen und die nächste Kurserholung abzuwarten.
Wie das Beispiel Gaza-Krieg zeigt, kann es sich tatsächlich lohnen, Schwächephasen für zusätzliche Investitionen zu nutzen und damit eine entsprechend höhere Rendite zu erzielen.