Für eine nachhaltige Geldanlage gibt es in der Regel viele unterschiedliche Kriterien und Definitionsmöglichkeiten. …
Wie ist so ein aufwändiges Projekt wie “Stop the Rise” entstanden? Gern geben wir hier ein paar Einblicke, schildern die Ansatzpunkte und zeigen, wie viel Arbeit gerade seitens der Agentur Philipp und Keuntje in diese Kampagne geflossen ist. Die Resonanz war übrigens so stark, dass die Kampagne mehrfach ausgezeichnet worden ist.
Ausgangslage: Nachhaltigkeit und Geldanlage
Nachhaltig investieren kann man mit growney seit September 2020 – da haben wir unsere ETF-Strategien mit einem besonderen Fokus auf ESG-Kriterien aufgelegt. Seitdem stellen wir fest, dass Nachhaltigkeit bei der Geldanlage viele Menschen interessiert, aber längst nicht alle.
-
Etwa 40 Prozent unserer Kunden geben in unserer Beratungsstrecke an, „dass Belange aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung bei der Anlageempfehlung berücksichtigt werden" sollen. Auch wenn das die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen ist, wir hätten nichts dagegen, wenn der Anteil steigen würde.
-
Häufige Sorge bei dem Thema nachhaltige Geldanlage: Sind Anleger dabei nicht zu sehr von einzelnen Geschäftsfeldern, von Innovationen, evtl. auch staatlicher Regulierung abhängig? Entstehen also möglicherweise unnötige Risiken. Genau das soll mit unserem Ansatz, die Geldanlage möglichst breit und weltweit zu streuen, vermieden werden. Für die nachhaltigen Anlagestrategien werden also nachhaltige ETFs verwendet, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Die ausgewählten ETFs bilden dabei Indizes nach, die insbesondere ESG-Kriterien berücksichtigen, zugleich aber Firmen aus bestimmten Branchen (Öl, Gas, Kohle, Atomkraft, Waffenproduktion, Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Pornografie, Gentechnik) ausschließen.
-
Wenn man nachhaltig investieren will, gibt es zudem viele verschiedene Aspekte zu beachten: Wie lässt sich eigentlich ein Effekt der nachhaltigen Geldanlage messen (Impact Investing)? Kann ein durchaus umstrittenes Unternehmen wie Tesla nachhaltig sein – oder nicht? Wie lässt sich der Anspruch, ein Klimaschutz-Ziel mit der Geldanlage konkret in einer Anlagestrategie umsetzen – und der Effekt idealerweise sogar messen? Solche Themen und Fragestellungen sind immer wieder Gegenstand unserer Blogartikel – auch wenn wir selbst nicht immer eine Antwort wissen. Was für unsere nachhaltige Geldanlage wichtig ist: Es wird nicht subjektiv durch Einzelpersonen oder Fondsmanager entschieden, sondern wir legen die Grundsätze unserer Anlageentscheidungen ganz transparent offen.
-
Hauptproblem: Inaktivität. Gerade in Deutschland ist das Girokonto, das Tagesgeldkonto oder ein Sparbuch immer noch die häufigste Form der Geldanlage. Und dabei sind die meisten Menschen damit gar nicht zufrieden. Gerade bei Sparkassen und großen Banken sammeln sich Milliardenbeträge, die sinnvoll eingesetzt werden könnten – etwa für eine nachhaltige Geldanlage. Das grundsätzliche Interesse ist da, doch vielen fehlt ein Anstoß oder sie haben die Sorge, sich dann ständig darum kümmern zu müssen. Zudem sind die Gefahren für den Klimawandel oft abstrakt – Überflutungen, Wirbelstürme, Dürre, Hunger werden am Bildschirm eher passiv und mit Verzweiflung wahrgenommen. Genau hier wollen wir ansetzen: mit Aufmerksamkeit auf das Thema Klimawandel, mit Informationen, mit dem Angebot etwas zu ändern und um zu zeigen, dass jeder etwas für Klimaschutz tun kann.
Bitte keine gewöhnliche Werbekampagne
Eine gewöhnliche Image-Kampagne mit teuren Werbeclips, schreienden Radiostimmen, Hochglanz-Broschüren und austauschbaren Werbeversprechen kommt für growney dabei nicht in Frage.
- Zum einen, weil wir uns als kostenbewusster digitaler Vermögensverwalter gar keine Millionen-Summen für solche Kampagnen leisten können und wollen. Weil wir unseren Kunden bewusst eine günstige Investmentlösung anbieten, setzen wir auch den Marketing-Etat möglichst effizient ein.
- Zum zweiten, weil es primär um eine inhaltliche Botschaft geht: Um das Bewusstsein, wie real der Klimawandel ist, wie gefährlich seine Auswirkungen sein können. Und dass ein Umsteuern weltweit möglich ist. Geldanlage kann ein Teil der Lösung sein, auch schon mit kleinen Sparbeträgen.
Unter diesen Voraussetzungen fanden wir den Kampagnenansatz absolut überzeugend. Auch wenn sich die wenigsten um konkrete Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland Gedanken machen, war klar: Ein Immobilienmakler, der aus dem Klimawandel ein Geschäftsmodell macht, also die Möglichkeit zur Geldanlage ableitet, wird Anstoß erregen.
Wichtige Voraussetzungen dafür:
- Diese Fake-Firma braucht ein Gesicht – jemanden, der ein solch fragwürdiges Geschäftsmodell offensiv verkörpert.
- Der provokative Charakter von „The Rise Real Estate“ soll mit aufwändigem Werbematerial unterstrichen werden: mit Videos, Plakaten, einer Social-Media-Präsenz.
- Die dabei verwendeten Angaben zum Klimawandel müssen wissenschaftlich korrekt sein, um nicht möglichen Leugnern dieser Entwicklung Vorschub zu leisten.
Konkrete Konzeption, Vorbereitung, Recherche und das Casting für ein passendes Gesicht für „The Rise Real Estate“ dauerten mehr als ein ganzes Jahr. Im Herbst 2022 dann endlich die Filmproduktion: Gutes Wetter, blauer Himmel, grüne Wiese. Auf einem (gemieteten) Acker vor eigens produzierten Plakaten entsteht das Material für den Werbefilm, für Beiträge auf Twitter, LinkedIn und Instagram.
Natürlich wird das Auflösungsvideo gleich mitgedreht. Besonders wichtig ist dabei, dass keine Schaulustigen diesen Teil mitbekommen. Doch der Drehort ist gut gewählt: die anliegende Straße kaum befahren, Fußgänger gibt es hier nicht. Die Auflösungssequenz bleibt vorerst unbemerkt.
Der Auftritt des angeblichen Immobilienmaklers Jens Zastrow passt perfekt: Er wirkt glaubwürdig, freundlich lächelnd – ein cleverer Geschäftsmann halt. Doch es bleibt die Frage, ob das wirklich ernst gemeint ist. Nutzt wirklich jemand den Klimawandel und seine möglichen schrecklichen Folgen, um daraus ein Geschäftsmodell für die Geldanlage zu machen?
Aufmerksamkeit für das Thema Klimawandel
Mittlerweile sind weitere Monate vergangenen. Jens Zastrow als Gesicht von „The Rise Real Estate“ kündigt auf mehreren Social-Media-Kanälen großartige Geldanlage-Möglichkeiten an. Kampagnenstart dann im Dezember 2022: Die Website des angeblichen Immobilien-Startups geht online, in Norddeutschland werden einige wenige ausgewählte Plakatflächen beklebt.
Im Werbevideo fragt Jens Zastrow: „Muss der Klimawandel etwas Schlechtes sein? Nein. The Rise macht ihn zu ihrer Chance.“ Sein Versprechen: „Investieren Sie mit uns in preiswerte Immobilien und lassen Sie den Wert mit dem Meeresspiegel steigen“.
Klimawandel als Chance? Geldanlage, die vom steigenden Meeresspiegel resultiert? Aussagen, die irritieren – genau das sollen sie auch! Die Möglichkeit, dass Landstriche überflutet werden, dass Katastrophen zunehmen, ist nämlich leider sehr real. Mittlerweile gibt es bereits Karten und Berechnungen, wo die Effekte einer weiteren Klimaerwärmung am deutlichsten zu spüren sein werden. Das betrifft übrigens nicht nur die Flachebenen in Norddeutschland, sondern gerade auch Wohnorte an Flüssen oder in Gebirgsnähe.
Die Irritation durch den Makler von „The Rise Real Estate“ soll Fragen auslösen: Wie wird sich der Klimawandel konkret bei uns auswirken? Was lässt sich dagegen tun? Welche Möglichkeiten zum Klimaschutz habe ich persönlich? Und ist eine solche Geldanlage hier Teil des Problems?
Zweifel und Kritik gehören zur Debatte dazu
Wer genau hinschaut, sieht Jens Zastrow von „The Rise Real Estate“ auch mal lächeln. Er wirkt ein bisschen verschmitzt, ja durchtrieben. Oder ist das alles wirklich ernst gemeint. Es bleiben Zweifel – bewusst. „The Rise Real Estate“ soll ja nicht gut ankommen, sondern aufrütteln, Diskussionen anregen. Und ja: auch emotional sein!
Die Reaktionen zeigen, dass es funktioniert. Dazu gehören auch einige Rückmeldungen wie
- “Ekelhafte Geschäftemacherei at its best.”
- “Auf eurer Website ist mir echt die Kinnlade runtergeklappt.”
- “Vom Klimawandel profitieren – wie zynisch kann man bitte sein?”
- “Kann doch nicht euer Ernst sein?!”
- “Immer, wenn ich denke, die Menschheit kann nicht abartiger werden, kommt jemand und beweist mir das Gegenteil.”
Es bleiben dann doch einige Zweifel. Am 28. Dezember erscheint ein erster Artikel über die angebliche Immobilienfirma. Eine Journalistin der Ostfriesenzeitung hat sich auf die Suche nach den Hinterleuten der Aktion gemacht, ausgelöst durch eines der Plakate im Landkreis Friedeburg. Vergeblich sucht sie die Firma „The Rise Real Estate“ – und vermutet möglicherweise sogar eine betrügerische Aktion. Schließlich sind die Materialien so aufwändig gemacht, dass sie auf tatsächliche geschäftliche Interessen hindeuten. Ein örtlicher Bürgermeister vermutet allerdings:
Das sieht mir sehr nach einem satirischen Beitrag aus.“
Der Artikel beschäftigt sich aber nicht nur mit „The Rise Real Estate“, sondern auch mit dem Gesamtthema Klimawandel und Meeresspiegelanstieg.
Eine knappe Woche später wertet das Online-Magazin Netzpolitik.org „The Rise Real Estate“ als Form von Aktionskunst gegen den Klimawandel. Beschrieben wird es so:
In einem Video preist der angebliche CEO von „The Rise Real Estate“ die Vorteile der Klimakrise in stereotypischer Weise an und nimmt dabei altbekannte Versuche aufs Korn, die so tun, als könne man die Klimakrise beherrschen oder gar einen Vorteil aus ihr ziehen.“
Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ macht die Aktion gar zur „Kunst der Woche“ und schreibt:
Die Website ist so liebevoll gemacht, der Tonfall von Investoren-Videos so gut imitiert, dass man ‚The Rise‘ nicht gleich als Satire erkennt.“
Es wird also Zeit für die Auflösung. Für die Botschaft, dass eine Geldanlage auch zur Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden kann. Für den 10. Januar 2023 war eigentlich der Verkaufsstart der „The Rise Real Estate“-Immobilien angekündigt. Stattdessen die Auflösung: „The Rise Real Estate“ ist ein Fake, der Klimawandel ist es nicht! Mit “Stop the rise” werden jetzt die Gefahren des Klimawandels verdeutlicht – und gezeigt: Jeder kann etwas dazu beitragen, ihn aufzuhalten.
Für das Werber-Magazin W&V ist das die „Kreation des Tages“. Es gibt in der Folge extrem viele positive Rückmeldungen. Eine bekannte Umweltaktivistinurteilt auf Twitter:
Richtig gut! Ich habe dennoch mit Schrecken zur Kenntnis genommen, wie ‚normal‘ das viele fanden, als ich bei LinkedIn auf die Seite hinwies :(“
Was nachhaltige Geldanlage bewirken kann
Natürlich bringt das auch eine Diskussion mit sich, was nachhaltige Geldanlage konkret bewirken kann. Nachhaltig investieren mit ETFs bedeutet eben bewusst auch ein weltweites Portfolio in über 40 Ländern – das ist etwas anderes als eine Photovoltaik-Anlage direkt nebenan zu finanzieren.
ETFs sind dabei ein gutes Instrument, weil sie besonders kostengünstig einen Index abbilden. Wie gut und nachhaltig der ETF ist, hängt also davon ab, nach welchen Kriterien der Index zusammengesetzt ist. Bei growney gilt dabei:
-
Ausschließlich Unternehmen, die als „Leader“ im ESG-Ranking klassifiziert sind – also hohe Werte bei Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ethischen Faktoren erzielen.
-
Keine Geschäftstätigkeit in kritischen Branchen wie Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen, Atomkraft, Waffenproduktion, Alkohol, Tabak, Pornografie, Glücksspiel oder Gentechnik.
-
Vermeidung nachteiliger Auswirkungen für die Umwelt, insbesondere im Bereich Klimaschutz.
-
Für Staatsanleihen kommen nur Länder in Frage, die Rechtsstaaten sind, Menschenrechte garantieren, die Todesstrafe abgeschafft haben und sich durch geringe Korruption auszeichnen.
Wer auf diese Art nachhaltig investieren will, bewirkt ganz konkret eines: Geld wird gezielt jenen Unternehmen zur Verfügung gestellt, die sich in Sachen ESG und Klimaschutz positiv von anderen Firmen (der gleichen Branche oder aus dem gleichen Land) abheben. So entsteht eine Anreizwirkung: Wer die Kriterien erfüllt, hat bessere Chancen auf dem Markt, sein Geschäftsmodell weiter zu finanzieren.
Natürlich gibt es auch aktive Fonds, bei denen ein Fondsmanager konkret entscheidet, welche Unternehmen in einem nachhaltigen Fonds aufgenommen werden. Nachhaltiger ist ein solcher aktiver Fonds nicht zwingend, in der Regel sind aber deutlich weniger Werte abgebildet, was zu einem höheren Investitionsrisiko führt. Aktives Fondsmanagement ist dazu meist mit deutlich höheren Kosten verbunden.
Die zentrale Botschaft von “Stop the rise”: Egal, ob in nachhaltige ETFs (wie bei growney) oder in aktiv gemanagte Fonds – mit dem eigenen Ersparten lässt sich tatsächlich zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Das ist eine Alternative dazu, das Geld einfach auf dem Bankkonto liegen zu lassen. Denn dann gibt es in der Regel kaum Einflussmöglichkeiten, was mit dem Guthaben passiert.