Was kann man gegen die Inflation tun? Angesichts der hohen Preissteigerung (Inflationsrate aktuell: 6,4 Prozent im Juni 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat) fragen sich viele Menschen, wie sie auf die hohe Inflation …
Das große Dilemma, das dadurch entsteht: Weil durch die Inflation Preise für Waren und Dienstleistungen steigen, es gleichzeitig aber keine Zinsen bei Banken oder Sparkassen gibt, entsteht für Geld, das nicht sofort ausgegeben wird, ein Kaufkraftverlust. Verglichen mit dem Vorjahresmonat lag die Inflationsrate in Deutschland im Januar bei 4,9 %. Für die gesamten Euro-Länder sogar bei 5,1 % - ein Rekordwert seit dem Start des Euros.
Inflation und Kaufkraft: Beispiele
Wenn durch die Inflation alles teurer wird, kann man sich für denselben Betrag künftig weniger leisten. Die Preissteigerung führt also zu einem Kaufkraftverlust.
Was bedeutet das jetzt ganz konkret bei 4,9 % Inflation? Beispiel: Kauft eine vierköpfige Familie im Supermarkt ein, konnte sie vor einem Jahr für € 100 eine bestimmte Menge Lebensmittel einkaufen, nun sind jedoch genau die gleichen Waren teurer. Wenn sich alle Preise entsprechend der Inflationsrate in Deutschland entwickelt haben, hat die Familie nun also zwei Möglichkeiten:
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Sie kauft genau dieselben Waren wie vor einem Jahr ein, obwohl diese teurer geworden sind. Dann muss sie entsprechend der Inflationsrate (Deutschland: 4,9 %) mehr bezahlen – das sind € 104,90.
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Sie hat für den Einkauf weiterhin nur € 100 zur Verfügung. Also kann sie sich weniger leisten. Durch die Inflation verliert das Geld an Kaufkraft. Beispielsweise kann die Familie jetzt nur noch Waren kaufen, die vor einem Jahr € 95,33 kosteten. Der Kaufkraftverlust beträgt also 4,67 %.
Je teurer die Güter oder Waren, umso deutlicher ist der Verlust der Kaufkraft. Beispiel: Die Familie hat € 25.000 für ein neues Auto zurückgelegt, letztes Jahr aber entschieden mit dem Kauf noch zu warten.
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Hat sich der Autopreis entsprechend der Inflation in Deutschland entwickelt, dann kostet dasselbe Fahrzeug jetzt € 26.225. Das Ersparte der Familie reicht also nicht mehr, sie muss zusätzliches Geld ausgeben.
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Will oder kann die Familie das zusätzliche Geld nicht aufbringen, muss sie durch die Inflation in Deutschland Abstriche bei dem neuen Auto machen. Für ihre € 25.000 bekommt sie nämlich heute nur ein Auto, das vor einem Jahr zum Preis von € 23.832,22 angeboten wurde.
Was ist mein Geld noch wert?
Müssen wir unser Geld jetzt also möglichst schnell ausgeben, um den Kaufkraftverlust zu verhindern? Genau das ist die Horrorvorstellung von Inflation: Deutschland 1923 – damals stiegen die Preise so schnell, dass Löhne sogar täglich ausgezahlt wurde, damit das Geld direkt ausgegeben werden kann, um den Verlust der Kaufkraft zu vermeiden.
Eine solche Extremsituation wird als Hyperinflation bezeichnet – die Inflationsrate in Deutschland stieg damals auf deutlich über 50 %. Die Folgen einer zu starken Preissteigerung: Weil die Menschen ihr Geld möglichst schnell ausgeben wollen, steht eine große Geldmenge einem gleichbleibenden Warenangebot gegenüber – ein Anreiz für weitere Preissteigerungen.
Die Gefahr: Es entsteht ein regelrechter Teufelskreis der Inflation. Beispielsweise waren 1923 durch die Inflation in Deutschland teilweise Milliardenbeträge für einen Liter Milch oder einen Fahrschein verlangt worden. Teilweise schlossen die Geschäfte dann sogar – denn auch die Ladenbetreiber befürchteten, dass das eingenommene Geld schon morgen nichts mehr wert sein könnte.
Klar ist: Eine solch dramatische Situation droht heute nicht, auch wenn die Inflationsrate in Deutschland und der Eurozone ungewöhnlich hoch ist. Die aktuelle Entwicklung ist auch nicht ganz so wie in unseren einfachen Inflation-Beispielen. Denn es steigen nicht alle Preise gleichermaßen. Bei den Energiepreisen etwa (Strom. Gas, Benzin, Diesel, Heizöl) beträgt der Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr mehr als 28 %. Bei anderen Waren und Dienstleistungen sind die Preissteigerungen geringer.
Auswirkungen von Minuszins und Realrendite
Zusätzliche Belastung für die Kaufkraft entsteht durch die aktuelle Zinspolitik: Denn die Familie mit € 25.000 auf dem Konto kann sich nicht sicher sein, dass es für ihr Geld auf dem Giro- bzw. Tagesgeldkonto oder dem Sparbuch Zinsen gibt. Im Gegenteil: Einige Banken und Sparkassen verlangen schon ab € 1 Guthaben Negativzinsen bzw. Minuszinsen von ihren Kunden.
Hatte die Familie also vor einem Jahr den Betrag von € 25.000 zurückgelegt, wären bei 0,5 % Minuszinsen heute nur noch € 24.875 übrig. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher negativer Effekt für die Kaufkraft. Beispiel Autokauf: Für ihre durch Minuszinsen geschmälerte Rücklagen bekommt die Familie also heute ein Auto, das vor einem Jahr zum Preis von € 23.713,06 angeboten wurde. Der Kaufkraftverlust durch Inflation und Negativzinsen beträgt also fast € 1.300 innerhalb eines Jahres.
Deswegen sind Negativzinsen und Inflation so eine gefährliche Kombination. Verhindern lässt sich der Kaufkraftverlust nur durch eine positive Realrendite. Das heißt, mit dem Geld muss eine Rendite erzielt werden, die höher als die Inflationsrate in Deutschland ist. Auch ein Tagesgeldkonto oder Festgeld schützt also aktuell nicht vor Kaufkraftverlust, weil die Zinsen dort deutlich geringer als 4,9 % p.a. sind.
EZB-Kurs: Es bleibt bei der Zinspolitik
Obwohl der Preisanstieg deutlich ist, bleibt die EZB-Zinspolitik unverändert. Am Donnerstag bekräftigte die EZB, dass der Leitzins im Euroraum bei 0,0 % bleibt und Banken sowie Sparkassen für Einlagen bei der EZB Negativzinsen zahlen müssen. Die Einschätzung der EZB: Die Inflation ist nur kurzfristig so hoch und wird in den nächsten Monaten deutlich sinken. So könnte es nach EZB-Auffassung sogar passieren, dass das Inflationsziel 2022 zwar übertroffen wird, in den nächsten Jahren dann aber deutlich sinkt. Die EZB peilt eine Inflationsrate von bis zu 2 % p.a. an.
Durch die Erhöhung der Zinsen könnte die Zentralbank zwar das Zurücklegen von Geld attraktiver machen und damit die Inflation etwas eindämmen. Doch damit gefährdet sie möglicherweise das Wirtschaftswachstum, weil weniger Geld für den Konsum zur Verfügung steht und für Unternehmen Finanzierungen durch höhere Zinsen teurer werden.
Das größte Problem der EZB: Sie legt sich sehr stark auf die Position fest, dass die Inflation von selbst wieder sinken könnte. Der Ökonom und Präsident des Queens’ College in Cambridge, Mohamed El-Erian, warnt im Handelsblatt bereits:
Die EZB muss aufpassen, dass sie sich nicht in eine Sackgasse manövriert.“
Er geht davon aus, dass die EZB in diesem Jahr ein oder zwei Mal die Zinsen anheben wird, um die Inflationsrate 2022 zu drücken. Allerdings: Wenn die EZB aber plötzlich ihren Kurs ändert und die Nullzinsphase beendet, könnte das die Märkte zusätzlich verunsichern.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel – seit Jahresbeginn im Amt – hat bereits gewarnt, er sehe „die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet“. Seine Forderung:
Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen.“
USA und Großbritannien erhöhen die Zinsen
Das Problem der steigenden Inflation lässt sich aktuell auch in den USA und Großbritannien beobachten. In den USA ist die Inflationsrate bereits auf über 7 % gestiegen, in Großbritannien ist sie mit 5,4 % etwas höher als im Euroraum.
Die US-Notenbank Fed hat deshalb bereits deutlich gemacht, dass sie im laufenden Jahr den Leitzins schrittweise erhöhen wird. Die Bank of England hatte bereits Ende 2021 eine Zinserhebung vorgenommen und am Donnerstag den Leitzins weiter erhöht - von 0,25 % auf 0,5 % p.a. In Großbritannien hatte die Leitzinserhöhung sogar kaum eine Auswirkung auf die Kapitalmärkte. Denn: Sie war genauso erwartet worden.
Langsam bereitet auch die EZB einen Wechsel der Zinspolitik vor: Die Notenbank-Chefin Christine Lagarde hatte auf der Pressekonferenz am Donnerstag jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass noch dieses Jahr auch im Euroraum die Zinsen erhöht werden könnten. Bislang war das immer kategorisch ausgeschlossen worden.
Negativzinsen vermeiden, Kaufkraft retten
Viele Sparer fragen heute verzweifelt: Bei welcher Bank zahlt man keine Negativzinsen? Tatsächlich wird man noch Banken und Sparkassen finden, für die das zutrifft. Aber: Selbst wenn in Deutschland die Inflationsrate 2022 auf 3 % sinkt, ist klar: Die Zinsen für Sparkonto oder Tagesgeld werden geringer sein. Das bedeutet: eine negative Realrendite für das Geld – und damit ein Kaufkraftverlust.
Negativzinsen vermeiden reicht also alleine nicht, um den negativen Effekt durch die Inflation auszugleichen. Die Alternative: Möglichst breit diversifiziert an den Kapitalmärkten anlegen, um damit eine positive Realrendite zu erzielen. Tatsächlich liegt schon bei einem Aktienanteil von nur 50 % die erwartete Rendite von 3,7 % p.a. über der erwarteten Euroland Inflation 2022 (ca. 3 % p.a.). Das bedeutet: Kaufkraftverlust gestoppt.
Für die Familie aus unserem Beispiel für Inflation heißt das konkret:
- Sie kann sich auch in einem Jahr noch alle Waren leisten, die sie heute im Supermarkt für € 100 bekommt.
- Beim Autokauf im kommenden Jahr muss sie keine Abstriche machen.
Noch viel deutlicher sind die Effekte übrigens bei der Altersvorsorge oder anderen langfristigen Sparzielen. Wer Geld zurücklegt, um später im Rentenalter die drohende Rentenlücke abzumildern, den trifft ein Jahr für Jahr auftretender Kaufkraftverlust umso massiver.
Mit einer positiven Realrendite (erzielte Rendite minus Inflation) steigt dagegen die Kaufkraft. Beispiel: Wer heute € 100.000 – etwa aus einer Erbschaft – zurücklegt, um damit die eigene Altersvorsorge zu finanzieren, kann froh sein, wenn er Sparkassen/Banken ohne Negativzinsen findet.
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Bleibt die Inflation über die nächsten 20 Jahre etwas oberhalb des EZB-Ziels, also beispielsweise bei durchschnittlich 2,5 % p.a. so sinkt die Kaufkraft von € 100.000 auf der Bank drastisch: In 20 Jahren kann man sich für € 100.000 Bankguthaben nur noch Güter, Waren oder Dienstleistungen leisten, die heute € 61.027 kosten. Ergebnis: fast € 39.000 Kaufkraftverlust.
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Erzielt man mit den € 100.000 an den Kapitalmärkten dagegen eine durchschnittliche jährliche Rendite von 5 % p.a. (etwa durch eine ausgewogene Strategie mit 70 % Aktien und 30 % Anleihen), so tritt eine deutliche Wert- und Kaufkraftsteigerung ein. Aus dem angelegten Kapital werden € 265.329,77. Unter Berücksichtigung der gestiegenen Preise bedeutet das einen Kaufkraftgewinn von fast € 62.000.
Für den optimalen Umgang mit Negativzinsen und Inflation heißt das: