Eine weit verbreitete Weisheit lautet: Nichts ist so sicher wie die eigenen vier Wände. Viele Anleger haben Angst vor den …
Um die aktuell hohe Inflation (die Inflationsrate in Deutschland lag im August 2022 bei +7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat) zu bekämpfen, hatte die Europäische Zentralbank EZB am 8. September eine historische Zinserhöhung vorgenommen: Der Leitzins wurde um 0,75-Prozentpunkte angehoben, so stark wie noch nie zuvor. Damit ist das Ende der Niedrigzinsphase eingeleitet.
Folge: Auch die Bauzinsen und die Kosten für Immobilienfinanzierungen steigen. Seit Jahresbeginn haben die Zinsen für Baukredite und Immobilien sich in etwa verdreifacht. Die Folgen treffen aber nicht nur Immobilienkäufer, sondern auch Menschen, die bereits Hausbesitzer sind. Die aktuelle Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wirft die Frage auf, wie attraktiv Immobilien als Kapitalanlage derzeit sind.
Auswirkungen auf Immobilienkredite
Tatsächlich merken viele, die derzeit einen Hausbau oder einen Immobilienkauf planen, die Auswirkungen direkt. Die Finanzierungen werden teurer.
- Wenn die Bauzinsen steigen, heißt das: Bei gleicher Laufzeit eines Immobilienkredits wird eine höhere monatliche Tilgung fällig. Dadurch steigt die direkte Belastung durch den Immobilienkredit.
- Zugleich sind viele Banken strenger bei der Vergabe von Immobilienkrediten geworden: Angesichts der Inflation setzen viele Banken bei der Kreditprüfung die Lebenshaltungskosten höher an als noch vor einigen Monaten.
Ausgleichen lässt sich das eigentlich nur mit mehr Eigenkapital für den Hauskauf. Wer dieses Geld nicht aufbringen kann, muss mit einer geringeren Kreditsumme rechnen. Bedeutet konkret: Für deutlich weniger Menschen werden Immobilien als Kapitalanlage oder für die Eigennutzung künftig finanzierbar sein. Die Folgen lassen sich schon jetzt beobachten. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes (destatis) ist beispielsweise die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser im ersten Halbjahr um 17,8 Prozent gesunken. Auch die Zahlen für Immobilienfinanzierungen sind bei vielen Banken und Bausparkassen rückläufig.
Bauzinsen steigen: Anschlussfinanzierung wird teurer
Weil die Bauzinsen steigen, wird es aber auch für Immobilienbesitzer teurer, die derzeit eine Anschlussfinanzierung für Eigentumswohnung oder Haus suchen. Höhere Zinsen führen dazu, dass entweder die Tilgungsrate des Immobilienkredits höher wird oder die Tilgung länger dauert. Bei vermieteten Objekten lassen sich in den wenigsten Fällen diese höheren Kosten an die Mieter weitergeben – die höheren Finanzierungskosten verringern also die Immobilienrendite.
In der Marktphase steigender Zinsen kann dieser Effekt in den nächsten Monaten und Jahren sogar noch stärker ausfallen. Baufinanzierer beobachten derzeit daher ein höheres Interesse nach Zinsbindung, d.h. die Immobilienkäufer legen sich im Durchschnitt länger auf den angebotenen Zinssatz für ihre Finanzierung fest.
Steigende Baukosten und Materialprobleme
Aber nicht nur die Finanzierung wird teurer: Auch für das Bauen in Deutschland müssen die Menschen tiefer in die Tasche greifen. Sowohl die Kosten für Handwerker und Baufirmen sind zuletzt gestiegen als auch die Materialkosten - etwa für Stahl, Holz, Beton, Dachziegel oder Dämmmaterial. Grund dafür sind einerseits Lieferengpässe und andererseits die hohen Energiepreise. Denn die Produktion von Stahl oder Dachziegeln ist besonders energieintensiv, verteuert sich somit, wenn die Energiepreise steigen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist der Anstieg bei den Baukosten daher so stark wie seit Mai 1970 nicht mehr. Um 17,6 Prozent sind die Kosten angestiegen, hat die Behörde ermittelt.
Auch das ist ein Faktor, warum sich immer weniger Menschen aktuell den Hausbau leisten können.
Wie Energiekosten, Inflation und Wirtschaftsentwicklung die Miete beeinflussen
Kaum ein Tag vergeht mehr in Deutschland, an dem nicht thematisiert wird, dass Gaspreise und Strompreise steigen. Auch wenn die Kosten für Strom, Gas oder Heizung bei Mietwohnungen und -häusern vom Mieter getragen werden, hat das auch Auswirkungen für Vermieter, also die Eigentümer der Immobilien. Denn die gestiegenen Kosten führen bereits dazu, dass die Zahlungsbereitschaft von Mietern sinkt. So stellt eine Marktuntersuchung von ImmoScout24 fest, „dass die Menschen in diesem Jahr vielerorts einen kleineren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für die Miete einkalkulieren als noch im Vorjahr“. In einigen Städten sei die Zahlungsbereitschaft der Mieter bereits um 7 Prozent gesunken. Dazu heißt es:
Wenn die allgemeinen Lebenskosten steigen, bleibt weniger für die Miete übrig. Bei gleichzeitig steigenden Angebotsmieten suchen die Menschen vermehrt nach kleineren Wohnungen oder außerhalb der Metropolen und Ballungszentren.“
Neben Wohnimmobilien zur Miete trifft diese Entwicklung aber auch Gewerbeimmobilien in Deutschland. Angesichts höherer Kosten und unsicherer Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung halten sich Unternehmen mit der Anmietung neuer Flächen eher zurück oder reduzieren ihre Räumlichkeiten sogar. Für Vermieter ist das ein schwieriges Umfeld, gestiegene Finanzierungskosten oder andere Erhöhungen problemlos am Markt weiterzugeben.
Welcher Effekt entsteht durch die neue Grundsteuer?
Hinzu kommt eine weitere Unsicherheit: die Änderung der Grundsteuer. Für knapp 36 Millionen Grundstücke in Deutschland müssen Kommunen und Finanzämter eine neue Grundsteuer berechnen, die ab 2025 gelten soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Orientierung an sogenannten „Einheitswerten“ von 1935 (Ostdeutschland) bzw. 1964 (Westdeutschland) als Verstoß gegen die Gleichbehandlung gewertet und eine Neuregelung verlangt, die die unterschiedliche Entwicklung von Grundstücken berücksichtigt. In der Folge müssen derzeit bis zum 31.10.2022 alle Immobilienbesitzer eine Grundsteuererklärung einreichen, auf deren Basis Finanzämter die neue Grundsteuer berechnen. Experten gehen bereits davon aus, dass die neue Grundsteuer teilweise deutlich höher ausfallen könnte.
Für selbstgenutztes Wohneigentum entsteht dadurch eine höhere Belastung. Vermieter können die Grundsteuer über die Betriebskostenabrechnung vollständig an ihre Mieter weitergeben. Angesichts der aktuell sinkenden Zahlungsbereitschaft für die Kaltmiete kann das aber auch zu zusätzlichen negativen Effekten führen, gerade wenn die Entwicklung der Inflation dazu führt, dass die verfügbaren finanziellen Mittel für Mietausgaben eher fallen als steigen werden.
Immobilien als sicheres Investment? Welche Aussichten haben Hausbesitzer auf eine gute Immobilienrendite?
Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wirkt sich ebenfalls auf Bestandsimmobilien aus. Das liegt vor allem an der Zinsentwicklung – also daran, dass die Bauzinsen steigen. Durch sie verteuern sich die Finanzierungskosten beim Immobilienkauf, während der steigende Leitzins andere Geldanlagen mit ordentlichen Erträgen (z.B. Anleihen von Unternehmen oder Staatsanleihen) attraktiver macht, weil hier zunehmend höhere Zinsen zu erwarten sind.
Insbesondere Käufer, die Immobilien als Kapitalanlage sehen, könnten sich damit nach und nach aus dem Immobilienmarkt zurückziehen. Denn für sie war der Immobilienkauf vor allem durch eine gute Immobilienrendite attraktiv. Dafür müssten
- Mieterträge
- und Wertzuwachs der Immobilie
höher sein als
- die Nebenkosten für den Kauf
- die Finanzierungskosten
- die ständige Instandhaltung der Immobilie
- und die üblichen Zinsen auf dem Geldmarkt.
In der aktuellen Entwicklung auf dem Immobilienmarkt sinken die Aussichten auf eine gute Immobilienrendite eher. Denn die Finanzierungskosten und die Geldmarktzinsen steigen, während Mieterträge und Wertzuwachs eher stagnieren – oder sogar geringer werden. Bei älteren Bestandsimmobilien sieht man derzeit zusätzlich, dass die Kosten für Instandhaltung bzw. Sanierung tendenziell steigen – weil beispielsweise die Anforderungen an energetische Modernisierung verschärft werden könnten. Bei der Sicht auf Immobilien als sicheres Investment sollten diese Faktoren unbedingt berücksichtigt werden.
Immobilienpreise beim Hausverkauf sind ebenfalls betroffen
Tatsächlich gibt es auch schon Auswirkungen auf die Immobilienpreise beim Hausverkauf. So wurde jetzt erstmals seit Jahrzehnten für München– traditionell die Stadt mit den höchsten Immobilienpreisen in Deutschland – festgestellt, dass die Preise sinken. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD) lässt sich das sowohl für Eigentumswohnungen wie für Doppelhaushälften oder Einfamilienhäuser in München beobachten.
Die bayerische Metropole ist in Sachen Immobilienpreise aber längst kein Einzelfall. Eine Auswertung des Portals immowelt zeigt eine ganz ähnliche Entwicklung:
- Die Anfrage nach Kaufimmobilien ist deutschlandweit binnen eines Jahres um rund 17 Prozent zurückgegangen. Besonders stark zeigt sich das in Großstädten. In Berlin ist die Anfrage nach Kaufimmobilien demnach sogar um 52 Prozent, in Hamburg um 47 Prozent eingebrochen.
- Parallel dazu werden immer mehr Bestandsimmobilien zum Kauf angeboten. Die Zahl der Immobilienangebote hat laut immowelt binnen eines Jahres um 29 Prozent zugenommen.
Das ist eine Entwicklung auf dem Immobilienmarkt, wie man sie in den letzten Jahren nicht gesehen hat. Ein höheres Immobilienangebot bei einer deutlich geringeren Zahl von potenziellen Käufern dürfte zum sinkenden Preisniveau beigetragen haben. Der Zentrale Immobilien-Ausschuss ZIA, der rund 30 Immobilienverbände und 37 000 Unternehmen vertritt, rechnet damit, dass sich der „Druck auf den Wohnimmobilienmarkt erneut erhöhen“ wird. Auch der Verband deutscher Pfandbriefbanken sieht ein nachlassendes Kaufinteresse: „Die Dynamik auf dem Wohnimmobilienmarkt hat angesichts der veränderten Rahmenbedingungen jüngst erheblich nachgelassen.“
Denn eine sinkende Nachfrage bei steigendem Angebot führt logischerweise zu einem tendenziell sinkenden Preisniveau. Das heißt, dass künftig wohl auch der Wertzuwachs von Immobilien geringer ausfallen dürfte – und das bedeutet eine weitere Verschlechterung der Immobilienrendite.
Gezielte Auswahl von Anlageklassen
Beim Investieren in Immobilien ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen
- dem Kauf einer Immobilie für den Eigengebrauch und
- Immobilien als Kapitalanlage, also als Anlageklasse
Wer sich den Traum vom eigenen Haus erfüllen möchte, sollte Aspekte wie steigende Bauzinsen und Baukosten unbedingt bei der Planung berücksichtigen. Hinzu kommt: Ob sich eine Immobilie mit Wertzuwachs verkaufen lässt, ist von der weiteren Entwicklung und auch von der Lage und Ausstattung des einzelnen Objekts abhängig – insofern bedeutet die persönliche Entscheidung für den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Hauses immer erstmal eine Verringerung der finanziellen Liquidität und Flexibilität.
Ansonsten gibt es auch über aktiv gemanagte Immobilienfonds sowie über Immobilien-ETFs die Möglichkeit, von der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt zu profitieren. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass Immobilien grundsätzlich unflexibler sind als andere Anlageklassen wie etwa Aktien oder Anleihen, die börsentäglich an den Kapitalmärkten gehandelt werden können. growney berücksichtigt daher bei allen Anlagestrategien keine Immobilienwerte.
Das ist auch ein Schutz der Anleger vor möglichen Klumpenrisiken: Besitzen Sie bereits eine Immobilie (als Kapitalanlage oder zur Eigennutzung) wären Sie unnötig stark von negativen Entwicklungen auf dem Markt betroffen – nämlich einmal mit Ihrer Immobilie und zum zweiten mit Ihrem growney-Portfolio. Mit unserer Anlagestrategie soll das gezielt vermieden werden.