Überlegen Sie auch manchmal, ob Sie an der Börse zocken sollen? Die ständigen Erfolgsmeldungen verführen ja schon ein bisschen.
Was ist da gerade mit der Netflix-Aktie los? Am Mittwoch fiel der Aktienkurs um knapp 40 Prozent. Grund für die Entwicklung beim Netflix-Aktienkurs: Die Nutzerzahlen des Streaming-Dienstleisters sind im 1. Quartal 2022 erstmals nicht gestiegen, sondern gefallen.
Die konkreten Zahlen bereiten den Anlegern Sorgen.
- Insgesamt hat Netflix etwa 200 000 Kunden verloren.
- Zum Teil liegt das am Angriff Russlands auf die Ukraine: Netflix stoppte durch den Krieg das Russland-Geschäft, verlor auf einen Schlag knapp 700.000 Nutzer.
- Zieht man das Russland-Geschäft ab, konnte Netflix im 1. Quartal also immerhin 500.000 neue Bezahlabos gewinnen.
- Doch: Netflix selbst hatte im gleichen Zeitraum mit 2,5 Millionen neuen Abos gerechnet – erreichte also nur ein Fünftel.
- Weitere Prognose: negativ. Im aktuellen Quartal dürfte der Dienst nach eigenen Schätzungen rund zwei Millionen Kunden verlieren.
Reaktion auf diese Zahlen von Netflix: Aktienkurs komplett im Minus, viele Anleger wollten die einstige Trendaktie möglichst schnell loswerden. Auch der US-Hedgefonds Pershing Square Capital stieß seine Beteiligung ab – immerhin rund 3 Millionen Netflix-Aktien. Für manche Investoren dürfte das ein schmerzhafter Verlust gewesen sein. Wer die Netflix-Aktie im vergangenen November zum Allzeithoch von 700,50 US-Dollar gekauft hatte und sie nun abstieß, verzeichnete ein Minus von rund 64 %.
Der Streaming-Riese war einer der größten Gewinner der Corona-Pandemie gewesen, zählte daraufhin zu den beliebtesten und meistgehandelten Aktien weltweit. Nun dagegen scheinen das große Wachstum und die Aussicht auf rasant steigende Gewinne vorbei.
Typischer Effekt bei Trendaktien
An der Börse ist eine solche Reaktion nicht ungewöhnlich. Mit dem Aktienkurs wird die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens bewertet. Verschlechtert die sich plötzlich, hat das gravierende Auswirkungen auf die Kursentwicklung.
Bei Trendaktien ist dieser Effekt oft noch stärker. Es entsteht oft eine Überbewertung, weil Anleger die Aktie kaufen, um den Trend nicht zu verpassen – dabei aber die konkreten Unternehmenszahlen aus dem Blick geraten. Die Möglichkeit über Trading-Apps mit wenigen Klicks eine Aktie kaufen oder verkaufen zu können, hat das sogar noch verstärkt.
Die oft zitierte Börsenweisheit „Folge dem Trend“ (Englisch: „the trend is your friend“) ist deshalb nur selten zutreffend. Trends werden oft durch Faktoren begünstigt, die nur von vorübergehender Dauer sind. Ein Streamingdienst wie Netflix ist ein gutes Beispiel dafür. Durch die Corona-Pandemie und die in vielen Ländern verhängten Lockdowns entstand eine außerordentlich hohe Nachfrage, Netflix profitierte davon. Mit der Aufhebung der meisten Corona-Maßnahmen tritt nun der umgekehrte Effekt ein. Wer abends wieder ins Kino, Restaurant, Konzert oder zur Party kann, fragt sich irgendwann, ob er das Netflix-Abo kündigen sollte.
Das Beispiel der Netflix-Aktie ist kein Einzelfall
Genauso wie den Netflix-Aktienkurs erwischt es derzeit auch andere börsennotierte Unternehmen, die von der außergewöhnlichen Situation profitiert hatten. Das größte Problem von Trends an der Börse ist nämlich: Sie sind sehr schnell auch wieder vorbei. Für Anleger kann das gefährlich werden.
BioNTech: minus 66 % seit Allzeithoch
Ganz ähnlich ist auch der Kursverlauf der BioNTech-Aktie. Vom BioNTech-Imfpstoff gegen das Coronavirus (Comirnaty) versprachen sich viele Anleger dauerhaft gute Gewinne. Der Kurs der BioNTech-Aktie war 2020 und 2021 stark durch diese Aussichten geprägt. Im August erreichte der BioNTech-Aktienkurs so sein Allzeithoch von 464 US-Dollar.
Doch wer zu diesem Zeitpunkt investierte, steht heute mit etwa 66 % Kursverlust da, also knapp zwei Drittel seines investierten Betrags. Weil sich ein Ende der Pandemie andeutet, ist fraglich, wie lange das Unternehmen von diesem Effekt profitieren kann.
Dax-Aufsteiger Delivery Hero und Zalando
Eine solche typische Entwicklung haben auch die Dax-Aufsteiger Zalando (Onlinehandel) und Delivery Hero (Essenlieferung) erlebt. Beide Unternehmen profitierten sowohl von der Sondersituation der Corona-Pandemie als auch von ihrem Aufstieg den deutschen Aktienindex Dax. Da aktive Fonds und ETFs sich an der Indexzusammensetzung orientieren, gab es durch den Dax-Aufstieg der beiden Aktien ein starkes Kursplus.
Doch seitdem sind beide Aktienkurse deutlich gefallen: Delivery Hero, Anfang vergangenen Jahres noch bei rund 140 Euro je Aktie, steht heute bei knapp 35 Euro (minus 75 %). Die im vergangenen Sommer noch mit mehr als 100 Euro bewertete Zalando-Aktie, ist heute knapp 42 Euro wert (minus 60 %).
Technologie-Unternehmen und der Corona-Effekt
Weltweit zeigt sich, dass die großen Kursgewinne aus der Corona-Pandemie kurzzeitig einige Aktienkurse auf Rekordhoch getrieben haben. Wer als Anleger zu spät auf diesen Trend aufsprang, sieht heute ein sattes Minus im Depot.
Beispiele dafür: Der Onlinehändler Wayfair (minus 66 % seit März 2021), der Zahlungsdienstleister Paypal (minus 68 %) sowie DocuSign als Spezialist für sichere digitale Vertragsabschlüsse (ebenfalls minus 68 %).
Aktien von Energie-Unternehmen trifft das Trend-Phänomen ebenfalls
Durch den starken Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr, galten Gas- oder Ölaktien oftmals als sicherer Investment-Trend. Russlands Krieg gegen die Ukraine macht derzeit allerdings deutlich, wie jäh so ein Trend enden kann. Einige Energieaktien können zwar von den weiterhin hohen Preisen profitieren. Andererseits hatten viele Unternehmen auch Beteiligungen in Russland und müssen diese nun derzeit angesichts der Sanktionen als nahezu wertlos abschreiben.
Hinzu kommt: Der beschleunigte Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle durch den Krieg in der Ukraine bedeutet für klassische Energieunternehmen: Mit diesen Energieträgern lässt sich perspektivisch weniger Geld verdienen.
Das zeigt sich beispielsweise für Anleger, die Ende vergangenes Jahr beim deutschen Energieunternehmen Uniper einstiegen: Aktuell hat die Aktie seitdem über 50 Prozent des Werts verloren.
Teure Fehler beim Aktienkauf
Gerade Privatanlegern passiert das häufig. Sie lassen sich oft von Empfehlungen leiten oder setzen auf Aktien, die gerade stark gefragt sind. Die Aussicht auf hohe Kursentwicklungen führt zu dem Effekt, dass Anleger befürchten einen Trend zu verpassen und deshalb investieren, ohne sich genauer mit den Geschäfts- und Finanzkennzahlen einer Aktie auseinanderzusetzen.
Wer sich bei der Frage „Welche Aktie soll ich heute kaufen“ vor allem von kurzfristigen Trends leiten lässt, dürfte besonders häufig den falschen Zeitpunkt erwischen. Denn die Idealvorstellung eines perfekten Timings beim Aktienkauf funktioniert so gut wie nie. Ein Experte sagt sogar:
Market Timing kann nur funktionieren, wenn man Jesus Christus heißt“. Und: „Die Einschätzung des April-Wetters oder der Lottozahlen ist einfacher“ als den besten Zeitpunkt zum Investieren zu treffen.
Privatanleger treffen dabei besonders häufig falsche Entscheidungen. Ihre Rendite ist oft deutlich geringer als die durchschnittliche Entwicklung der gesamten Kapitalmärkte, wie Wissenschaftler der Berkeley-Universität in Kalifornien ermittelt haben. Die wichtigsten Gründe dafür:
- Sie handeln oft nicht rational, sondern verhalten sich ähnlich wie beim Glücksspiel
- Die Entscheidungen erfolgen oft aus dem Bauch heraus oder folgenden angeblichen Trends oder vermeintlich sicheren Aktientipps
- Indem sie ständig Aktien kaufen und verkaufen, produzieren sie hohe Transaktionskosten und verringern dadurch ihre Rendite stark
- Sie überschätzen komplett ihre Möglichkeiten, einen Trend zu erkennen und gegenüber anderen Marktteilnehmern im Vorteil zu sein
Bei Frauen trifft dies übrigens weniger zu als bei Männern, weswegen Frauen unter den Anlegern oft bessere Investmentergebnisse erzielen.
Ruhig investieren und profitieren
Statt „Welche Aktie soll ich heute kaufen“ ist die wichtige Frage also eigentlich: Welches ist das langfristige Ziel meiner Geldanlage?
Oftmals geht es um den langfristigen Vermögensaufbau, das Sparen für die Rente oder für die Kinder oder ein ganz konkretes Sparziel, das in einigen Jahren erreicht werden soll (ein neues Auto, der Traumurlaub oder die Finanzierung für eine Immobilie).
Wer solche Ziele im Blick hat, sollte sich gar nicht erst an kurzfristigen Börsentrends orientieren. Erfolgversprechender ist, von der Entwicklung der weltweiten Kapitalmärkte zu profitieren, etwa mit einem breit aufgestellten ETF-Portfolio. growney beispielsweise bildet mit seinen Anlagestrategien bis zu 5.000 Aktien aus mehr als 40 Ländern ab.
So ist das Investment nicht von der Entwicklung einzelner Aktien abhängig – und ist deutlich weniger risikoreich. Zusätzlich übernimmt growney die ständige Überwachung des Portfolios und ein jährliches Rebalancing. Anleger müssen sich also nicht um die Details der Geldanlage kümmern.