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Robo-Advisor growney setzt auf zusätzliche Dienstleistungen
Noch haben Robo-Advisor, die automatisierten Vermögensberater, einen sehr kleinen Marktanteil. Ihnen wird jedoch gigantisches Wachstum prognostiziert. Betrug das Robo-Marktvolumen in den USA im Jahr 2014 rund 19 Mrd. Dollar, sagt eine Studie von A. T. Kearney dort bis 2020 einen Anstieg auf 255 Mrd. Dollar voraus. Oliver Wyman rechnet in dieser Zeit weltweit mit 500 Mrd. Dollar, davon 20 bis 30 Mrd. Euro in Deutschland.
Volumina noch sehr klein
Das wäre für die hiesigen Anbieter ein enormer Sprung, wurden von den geschätzt 30 bis 40 Robo-Advisor-Plattformen hierzulande bislang gerade einmal etwa 100 Mill. Euro vermittelt. Denn Wachstumsgeschichten wie in den USA, wo Start-Ups wie Betterment und Wealthfront innerhalb weniger Jahre und Charles Schwab als einer der größten US-Finanzdienstleister sogar innerhalb weniger Wochen Milliarden von Dollar auf ihren Robo-Advisor-Plattformen sammelten, gibt es hier bisher nicht. Auch die etablierten Finanzinstitute in Deutschland wie Deutsche Bank, Commerzbank oder Universal-Investment, die nach den Fintechs ebenfalls in den Robo-Advice-Markt eingetreten sind, haben zu keinem großen Volumensschub verholfen.
Bislang verdienen Robo-Advisor auch kaum Geld. Nach Angaben von Vaamo ist dazu auch ein vermitteltes Volumen von mindestens 200 bis 300 Mill. Euro notwendig. Dennoch drängen immer mehr Anbieter auf den noch sehr überschaubaren Markt. Auch die Berliner growney, die im Mai 2016 operativ startete und im Vergleich zu den US-Pendants bescheidene, angesichts des bisher geringen deutschen Marktvolumens aber durchaus ehrgeizige Volumensziele verfolgt.
Mit dem Start seiner Firma zeigt sich growney-Gründer und Geschäftsführer Gerald Klein zufrieden. „Die reinen Zahlen spiegeln dabei jedoch nicht die Dynamik des Prozesses wider“, betont er. „Die Investoren fangen in der Regel mit kleinen Beträgen – ein paar tausend Euro – an, bis sie Vertrauen aufgebaut haben und dann nach zwei bis drei Monaten größere Beträge anlegen“. Bislang haben knapp 400 Kunden etwa 3 Mill. Euro bei growney investiert. „Damit liegen wir leicht über unserem Plan“.
Kooperation mit Banken
„Unser Ziel ist es, im kommenden Jahr bei der Kundenzahl die 1.000er-Marke zu knacken“, erklärt Klein weiter. Um Privatkunden zu gewinnen, brauche es jedoch einen langen Atem. Da könne die Kooperation mit Banken hilfreich sein. „Das wird neben dem eigenen Markenauftritt sicherlich eines unserer Standbeine sein, solange wir dabei unabhängig bleiben können.“
Hinsichtlich der Volumensziele erklärt Klein: „Wir haben einen Musterkunden vor Augen, der im Schnitt 14.000 Euro angelegt hat und 250 Euro im Monat spart.“ Auf die angestrebten mindestens 1.000 Kunden hochgerechnet, ergibt sich für 2017 ein Zielvolumen von mindestens 17 Mill. Euro. Zum Vergleich: Die 2014 gegründete Easyfolio hat im ersten Jahr 6,5 Mill. Euro eingesammelt, Vaamo 10 Mill. Euro. Und bei growney soll die Kurve 2018 noch deutlich steiler nach oben zeigen.
Der Break-even ist Klein zufolge bei gleicher Personalstärke mit 5.000 Kunden erreicht. growney arbeitet projektbezogen vor allem mit externen Mitarbeitern. Die feste Mannschaft besteht heute aus sieben Personen.
Angebot wird erweitert
Der Berliner Robo-Advisor hat allerdings nicht nur Volumensziele im Visier. Er will auch das Dienstleistungsangebot deutlich erweitern, was auch einen Ausbau der Personalstärke und damit die Verschiebung des Break-Even-Zeitpunktes bedeuten würde.
Geplant ist, über die einfache Lenkung des Kunden je nach Risikoneigung zu einem der fünf angebotenen Anlagestrategien hinauszugehen. „Wir wollen nicht bei ‚Execution Only‘ stehen bleiben. Den Passus ‚Beratungsfreies Geschäft‘ wollen wir in absehbarer Zeit streichen. Unser Ziel ist es, dem Kunden auch in seinen Sparaktivitäten intelligente sowie und unaufdringliche Empfehlungen zu geben und professionelle Unterstützung anzubieten. Sei es, dass wir den Rhythmus des Kontostandes des Kunden analysieren und Tipps zur Anlage geben oder dafür sorgen, dass er seinen Sparerpauschbetrag tagesgenau ausnutzt. Das sind Aktivitäten, die die Anleger in der Regel nicht von alleine angehen, weil sie zu aufwendig sind.“
Dem US-Trend folgen
Damit geht growney ähnlich wie andere deutsche Robo-Advisor in Richtung eines Trends in den USA. Denn die dortigen Anbieter sind den deutschen Gesellschaften auch beim Dienstleistungsangebot deutlich voraus: Erste US-Robo-Advisor haben ihr Leistungsspektrum inzwischen auf eine ganzheitliche Vermögensberatung erweitert, so Prof. Thomas Bahlinger von der Technischen Hochschule Nürnberg in seiner Ausarbeitung „Online-Geldanlageberatung mit Robo Advice, Vergleich Deutschland – USA“. Bei diesen würden alle Konten und teilweise auch Versicherungen eines Kunden gebündelt, dessen Vermögenssituation analysiert und entsprechend Empfehlungen abgegeben. Ziel sei es, dem Kunden nicht nur hinsichtlich eines gewissen Teils seines Vermögens zu beraten, sondern komplett die Rolle des Vermögensberaters einzunehmen.
Ein weiterer Trend in den USA sei das mittlerweile sehr umfangreiche Angebot der Wissensvermittlung durch Robo-Advisor über Blogs, Seminare, Videos und Social Media Accounts, erläutert Bahlinger. Dieser Trend komme in Deutschland zwar langsam bei den Online-Banken an, jedoch hätten nur wenige Robo-Advisor in diesem Bereich etwas zu bieten.
growney will die neuen zusätzlichen Dienstleistungen allein maschinengestützt aufsetzen. Ein sogenanntes hybrides Modell mit der Integration einer persönlichen Beratung hat Geschäftsführer Klein nicht im Visier. „Ein Robo-Advisor deckt für die meisten Anleger den Beratungsbedarf ab. Nur für sehr vermögende Kunden sehen wir das Private Banking mit seiner Vielschichtigkeit der Beratung als eine mögliche Ergänzung“, erläutert Klein.
Lizenz im Visier
Bereits für die geplanten Anlegerempfehlungen und Tipps reicht growneys Status als Finanzanlagenvermittler nicht mehr aus. Die Gesellschaft benötigt dafür die Lizenz als Vermögensverwalter nach § 32 KWG, mit der sie der Aufsicht der BaFin unterliegen würde. „Die Lizenz werden wir beantragen“, betont Klein, „spätestens Anfang 2018 wollen wir den Status erreicht haben.“
Bei der BaFin sind den Angaben zufolge bislang sechs Unternehmen unter Aufsicht, „die eine Form von Robo-Advice erbringen“. Die Aufsichtspflicht werde immer anhand des Einzelfalls beurteilt, so die Behörde, je nachdem welche Dienstleistungen erbracht werden.
Weitere Herausforderungen
Aktuell setzt growney noch alle Kräfte in die Verbesserung der Verknüpfung von Geeignetheitsprüfung, die die Risikotragfähigkeit des Kunden ermittelt, mit der Angemessenheitsprüfung, mit der das jeweils geeignete Produkt herausgefiltert wird. „Das ist derzeit eine unserer größten Herausforderungen und muss noch intelligenter gestaltet werden“, erläutert Jonas Haase, CTO (Chief Technical Officer) von growney. „Und es ist auch die Voraussetzung, dass wir uns an die weniger informierten Kunden wenden können“.
Klein zufolge kommt das Gros der growney-Kunden bisher aus dem Bereich der Selbständigen, die selbst für ihre Altersvorsorge sorgen müssen, und umfasst besonders die Berufsgruppen der Ärzte, Architekten oder Rechtsanwälte.
Mifid II hilft
Haase rechnet aber damit, dass sich mit Inkrafttreten der EU-Richtlinie Mifid II viele Banken vom unteren Kundensegment trennen werden, weil deren Betreuung zu teuer wird und diese dann eine neue Heimat bei den Robo-Advisor suchen werden. „Wir sind in der Lage, sämtliche Prozesse zu automatisieren und haben dadurch einen großen Kostenvorteil. Wir freuen uns auf Mifid II.“
Von Christiane Lang // Erschienen in “Fonds & Finanzen - Der Assetmanagement-Newsletter der Börsen-Zeitung” am 11.10.2016