US-Flagge vor unscharfem Hintergrund; Streit um Schulden: Was wäre, wenn die USA zahlungsunfähig sind?

Streit um Schulden: Was wäre, wenn die USA zahlungsunfähig sind?

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1. Juni 2023 // Aktuelles

Seit Tagen und Wochen beschäftigt ein Streit in den USA die Schlagzeilen und die Finanzmärkte. Voraussichtlich Anfang Juni wird es knapp, denn die gesetzliche Schuldengrenze des Landes ist bereits erreicht, es können also keine weiteren Schuldenaufgenommen werden. Da der Staat aber mehr Geld ausgibt als er einnimmt, ist der US-Haushalt auf neue Schulden angewiesen. Mit Erreichen der Schuldenobergrenze und Fälligkeit einiger wichtiger Zahlungen könnte die USA zahlungsunfähig werden. Welche Folgen hätte das?

US-Finanzministerin Janet Yellen fürchtet, dass es am 5. Juni so weit kommen könnte. Gerade an den Kapitalmärkten wird die Entwicklung mit Sorge gesehen, denn wenn die USA zahlungsunfähig wären, könnte das auch Auswirkungen auf andere Länder haben. Anleger an den Kapitalmärkten zeigten sich deshalb zuletzt sehr zurückhaltend – auch weil Gespräche zwischen US-Präsident Joe Biden und den Republikanern als größte Oppositionspartei zuletzt keine Einigung gebracht hatten.

Alle wichtigen Informationen und Details zum Schuldenstreit:

Wie hoch ist die Schuldenobergrenze der USA?

Es gibt tatsächlich gesetzliche Regeln für staatliche Schulden in den USA. Seit 1917 – also mehr als 100 Jahren – ist diese Schuldenobergrenze festgelegt. Dabei wird im Gesetz ein konkreter Betrag genannt, der nicht überschritten werden darf. Aktuell liegt der Wert für die Schuldenobergrenze der USA bei rund 31.400.000.000.000 US-Dollar – das sind 31,4 Billionen. Eine vom Finanzministerium ständig aktualisierte USA-Schuldenuhr zeigt, dass diese Grenze bereits erreicht ist.

Der politische Streit in den USA: Schuldenobergrenze erhöhen – aber wie?

Weil die Schuldenobergrenze der USA im Gesetz festgelegt ist, kann sie durch eine Gesetzes-änderung erhöht werden. Das ist auch nicht unüblich. Seit 1960 ist die Schuldengrenze bereits 78-mal angehoben worden – zuletzt 2011. Die Partei von US-Präsident Joe Biden und die oppositionellen Republikaner vertreten allerdings unterschiedliche Meinungen, wie es mit den Staatsfinanzen weitergehen soll.

Da die Republikaner über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügen, ist eine gemeinsame Lösung notwendig. Die Partei hatte eine Erhöhung auf 32,9 Billionen US-Dollar vorgeschlagen, wollte diese aber an Ausgabenkürzungen und weitere Bedingungen knüpfen. Dem wollte die Partei von Biden (Demokraten) nicht zustimmen.

Kann es eine Einigung im Schuldenstreit geben?

Sowohl Republikaner als auch Demokraten betonen, dass sie an einer Einigung im Schuldenstreit interessiert sind. Die Fronten zwischen beiden Lagern gelten als besonders verhärtet. So gibt es immer noch einen Teil der Republikaner – u.a. Ex-Präsident Donald Trump –, die Joe Bidens Wahlsieg bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 nicht anerkennen.

Mit der Debatte um die Schuldenobergrenze gelingt es den oppositionellen Republikanern, US-Präsident Joe Biden unter Druck zu setzen: Er muss entweder bei der Finanzierung wichtiger Vorhaben Zugeständnisse in Kauf nehmen oder riskieren, dass die USA zahlungsunfähig werden. Beides kann sich negativ auf die Chancen für seine Wiederwahl im November 2024 auswirken. Der US-Präsident hat seinerseits angeboten, in den nächsten Jahren durch Einsparungen das Defizit um bis zu 4 Billionen US-Dollar zu verringern. Allerdings will er zugleich durch Steuererhöhungen mehr Einnahmen generieren. Die Republikaner lehnen das ab.

Ist es schon einmal vorgekommen, dass die USA zahlungsunfähig waren?

Beim letzten Streit um die Schuldenobergrenze der USA war im letzten Moment noch eine Einigung erzielt werden. Dadurch wurde verhindert, dass die USA zahlungsunfähig wurden. Auch damals stellten die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit, die Demokraten stellten den US-Präsident (Barack Obama). Die sehr kurzfristige Lösung des Problems hatte für die USA aber Folgen: Die Ratingagentur Standard & Poors bewerten das Land seitdem nicht mehr als erstklassigen Schuldner (AAA), sondern nur noch mit dem Rating AA.

Zum Vergleich: Die Kreditwürdigkeit Deutschlands, zahlreicher anderer europäischer Staaten (wie Dänemark, Niederlande, Luxemburg, Schweden, Norwegen, Schweiz) sowie von Kanada und Australien wird weiter mit der Bestnote AAA bewertet.

Immer mehr Schulden: USA finanzieren Staatshaushalt mit Krediten

Die Schulden der USA sind in den letzten Jahren stark angewachsen. Vor 30 Jahren betrugen die Staatsschulden weniger als 5 Billionen US-Dollar, also nicht mal ein Sechstel der heutigen Summe. Vor allem die Finanzkrise und zuletzt die Coronakrise hatten dazu geführt, dass Hilfsprogramme mit Schulden finanziert wurden – die Ausgaben des Staates sind deutlich höher als die Einnahmen.

Begünstigt wurde das durch die Phase der Niedrigzinsen: Das Aufnehmen neuer Kredite war sehr günstig, mit den Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation hat sich das allerdings geändert.

Was passiert, wenn die USA zahlungsunfähig sind?

Momentan gelingt es der US-Regierung noch, mit Notmaßnahmen den Zahlungsverkehr sicherzustellen – trotz der hohen Schulden. Traditionell sind aber zu Monatsbeginn eine Reihe von Zahlungen fällig, etwa für Gehälter, Renten und das Gesundheitssystem, aber auch Fälligkeiten aus älteren Staatsanleihen, die die USA ausgegeben haben (US-Bonds). Sollte es also tatsächlich so weit kommen, dass die USA zahlungsunfähig wären, beträfe das zunächst

  • alle Menschen in den USA, die im öffentlichen Sektor arbeiten oder von anderen staatlichen Stellen Geld bekommen.
  • die US-Wirtschaft – insbesondere der Handel, weil die ausbleibenden Zahlungen sich negativ auf den Konsum in den USA auswirken werden.
  • Anleger, denen eigentlich Zinszahlungen aus Staatsanleihen der USA zustehen. Diese Ansprüche könnten dann (vorerst) nicht beglichen werden. Das würde aber auch der Kreditwürdigkeit der USA massiv schaden.   

Weitere Folgen, wenn die USA keine weiteren Schulden aufnehmen können

Darüber hinaus dürfte es weitere Folgen geben, wenn die Schuldenobergrenze der USA dazu führt, dass keine Zahlungen mehr möglich sind:

  • Auswirkungen auf die US- Konjunktur
    Die Wirtschaft könnte unter der Kaufzurückhaltung vieler Konsumenten leiden. Das würde vor allem US-Unternehmen treffen, aber auch Firmen, die stark auf dem US-Markt vertreten sind. Geringere Wachstumsaussichten wirken sich negativ auf die Börsenkurse der betroffenen Unternehmen aus – allerdings nur dann, wenn diese Situation länger anhält.
  • Höhere Zinsen für Schulden der USA
    Kommt es wirklich so weit, dass die USA zahlungsunfähig sind, wäre es künftig deutlich schwieriger (und teurer), weitere Kredite aufzunehmen. Das höhere Zinsniveau würdeaber nicht nur für die US-Regierung die Aufnahme neuer Schulden erschweren, sondern voraussichtlich auch für Unternehmen in den USA.
  • Zweifel am US-Dollar als internationale Leitwährung
    Bislang gilt der US-Dollar als eine Art weltweite Leitwährung. In Krisenzeiten ist zu beobachten, wie der Dollarkurs steigt. Anleger hatten bisher die Gewissheit, dass die US-Währung für Stabilität und Zuverlässigkeit steht. Das könnte sich ändern, wenn die USA zahlungsunfähig wird oder häufiger eine solche Befürchtung entsteht.

USA zahlungsunfähig: Was bedeutet das für den Euro und Deutschland?

Für Wirtschaft und Anleger in Deutschland wird sich das zunächst nur mittelbar bemerkbar machen.

  • Stark wird es allerdings die Inhaber von US-Staatsanleihen treffen. Die fehlende Zuverlässigkeit der USA als Kreditnehmer dürfte sich negativ auf die Kurse der Anleihen auswirken. growney verzichtet bei der Zusammenstellung aller Portfolios bewusst auf Staatsanleihen und Unternehmensanleihen in US-Dollar.
  • Inwiefern sich das auch bei US-Aktien bemerkbar machen wird, hängt damit zusammen, wie stark mittel- oder langfristige Auswirkungen auf die US-Konjunktur erkennbar sind. Im Sinne einer vernünftigen Diversifizierung sind in allen growney-Portfolios US-Aktien entsprechend der realen Wirtschaftskraft vertreten – also weit weniger stark als beispielsweise beim Index MSCI World, der zu rund zwei Dritteln aus US-Firmen besteht. 
  • Folgen dürfte es aber auch bei Firmen mit einem starken US-Geschäft geben. Auch hier könnte sich ein geringeres als derzeit prognostiziertes Wirtschaftswachstum in den USA auf die Kurse auswirken.
  • Nimmt die Bedeutung des US-Dollars als sichere Währung ab, dürfte das sich auch beim Wechselkurs Dollar-Euro zeigen. Gerade für die stark auf den Export angewiesene deutsche Industrie wäre es allerdings ein Nachteil, wenn der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliert. Internationale Geschäfte werden bislang häufig in US-Dollar abgewickelt.  Dadurch werden deutsche und europäische Güter teurer im Einkauf für die USA, was möglicherweise den Absatz beeinflusst.

US-Schuldenstreit: Die nächsten Tage werden es zeigen

Die Folgen des politischen Streits um neue Schulden der USA würden das Land jedenfalls stärker treffen als andere Länder. Bislang – also bei allen vorangegangenen Streits um die Schuldenobergrenze – ist immer eine Lösung gefunden worden. Auch deshalb, weil der Imageschaden für die USA und die beteiligten Parteien besonders hoch wäre.



Update 01.06.2023: 

Mittlerweile wurde eine Einigung im Schuldenstreit erzielt. Das entsprechende Gesetz ist im US-Repräsentantenhaus und im Senat bereits mit einfacher Mehrheit angenommen worden. 

Die Schuldenobergrenze der USA wird bis einschließlich 2025 ausgesetzt, also bis nach der nächsten Präsidentschaftswahl. Bis dahin sollen rund 650 Milliarden US-Dollar eingespart werden. Die Republikaner setzten durch, dass es teilweise eine Arbeitspflicht für Empfänger staatlicher Leistungen geben soll und die Mittel der Steuerbehörden gekürzt werden. Die Demokraten von Joe Biden bestanden ihrerseits darauf, dass bestimmte Sozial- und Hilfsprogramme erhalten bleiben.



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