Frau sitzt entspannt auf der Couch; Wie Anleger ganz ruhig auf Aktienkurse blicken können

Wie Anleger ganz ruhig auf Aktienkurse blicken können

Zum Newsletter


Artikel teilen

25. September 2025 // Aktuelles

Immer wieder blicken Anleger nervös auf die Börsenkurse: Wie entwickeln sich die Märkte, wie die Zinsen? Hält ein eingeschlagener Aufwärtstrend? Deuten fallende Kurse auf einen kurzen Rücksetzer oder eine länger dauernde Baisse hin?

Im diesem Artikel wird erläutert, warum der Langfrist-Investor die kurzfristigen Schwankungen am Aktienmarkt überhaupt nicht fürchten muss.

Das Risiko von Anleihen: Hohes Kursrisiko, …

Am 20.9.2017 hat Österreich eine 100-jährige Anleihe mit einem Zins-Kupon von 2,1 Prozent begeben.[1]

Ein kurzfristig orientierter Investor – ein Spekulant, der nur für einige Tage, Wochen oder Monate hält – trägt bei dieser Anleihe ein enormes Risiko. So konnte er zwar das eingesetzte Kapital in weniger als zwei Jahren verdoppeln. Dies liegt daran, dass die marktübliche Rendite in dieser Zeit von 2,1 Prozent auf nur noch 0,62 Prozent gefallen ist - die höher verzinste Anleihe gewann so deutlich an Wert.

Doch das änderte sich schnell wieder: Im Corona-Crash im März 2020 verlor die Anleihe innerhalb von nur 17 Tagen über 30 Prozent an Wert. Die Rendite an den Märkten war von 0,41 auf 1,05 Prozent gestiegen.

Ende Juni 2025 notiert die Anleihe bei 60 % und weist eine Rendite von 3,58 % auf. Die Volatilität dieser Anleihe seit Auflegung beträgt fast 30 Prozent p.a. und ist damit mit der von einzelnen Aktien durchaus vergleichbar.

… kein Risiko in den Auszahlungen …

Wie sollte nun ein langfristig- und Einkommens-orientierter Anleger das Risiko dieses Investments beurteilen?

  • Dies könnte ein 35-jähriger Profi-Fußballer sein, der gerade seine Karriere beendet hat und den Rest seines Lebens von seinem Vermögen leben möchte.
  • Oder eine 25-jährige Studentin, die ein großes Erbe angetreten hat und damit ihr zukünftiges Einkommen aufbessern möchte.

Eine Anlage am Emissionstag von 100.000 Euro in dieser 100-jährigen Anleihe würde ein Leben lang jedes Jahr eine Auszahlung von 2.100 Euro einbringen. Ende Juni 2025 müsste man für die gleiche Auszahlung sogar nur 60.000 Euro zahlen. Und die Erben freuen sich auch noch.

Und das Risiko? Nominal, also in Euro gerechnet, ist das Risiko der Auszahlungen für den Langfrist-Investor Null. Die 2.100 Euro werden jedes Jahr konstant fließen (Kreditrisiken, also die Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit Österreichs, werden hier vernachlässigt).

… aber ein Inflationsrisiko

Natürlich wird der monatliche Depotauszug der Bank die gleichen Schwankungen im Vermögen ausweisen, die auch der Spekulant erlebt. Mal sind durch die Kursentwicklung die 100.000 Euro auf 150.000 Euro gestiegen, kurze Zeit später auf 60.000 Euro gefallen usw.

Für die jährlichen Zahlungen ist das völlig unerheblich. Die bleiben wie sie sind. Der Depotwert spiegelt nur den negativen Zusammenhang von Kurs- und Zinsentwicklung am Markt wider und kann vom Langfrist-Investor komplett ignoriert werden.

Das einzige Risiko, das bleibt, ist die Inflation. So wurde die Kaufkraft der jährlichen Zahlungen bereits durch den Inflationsschub nach der Corona-Pandemie nachhaltig reduziert. Es könnte sein, dass die 2.100 Euro in Zukunft noch weiter deutlich an Kaufkraft verlieren werden.

Daher wäre eine wirklich risikolose Anlage für den langfristig orientierten Investor eine lang laufende bzw. ewige Inflationsindexierte Anleihe (ILB). Bei einer solchen Anleihe steigt die Kuponzahlung mit der Inflation. Die jährlichen Auszahlungen ermöglichen also eine konstante Kaufkraft.

Mehr zu Inflation und Kaufkraftverlust

Das Risiko des Sparbuchs versus Inflationsindexierte Anleihen

Geld auf dem Sparkonto – die Lieblingssparform der Deutschen – ist hingegen langfristig keineswegs risikolos. Erstens besteht ein Zinsänderungsrisiko, wie die letzten Jahre vor und während der Coronakrise mit Null- bzw. Negativzinsen für Privatkunden gezeigt haben.

Zweitens nagt auch hier die Inflation an der Kaufkraft der Ersparnisse. Beiden Risiken entgeht man mit langlaufenden ILBs.

Schaut man sich allerdings die realen Renditen von ILBs an, so waren diese während der Nullzinspolitik der EZB stark negativ und sind aktuell immer noch nicht besonders hoch.

Eine bis 2046 laufende ILB der Bundesrepublik Deutschland notiert Ende Juni 2025 bei real 1,05 Prozent. Bei diesen niedrigen realen Renditen sind Kaufkraft erhaltende jährliche Zahlungen durch Anleihen sehr teuer.

Außerdem sind ILBs immer noch ein Nischenprodukt und die Volumina ausstehender ILBs in Euro sind relativ gering im Vergleich zu nominalen Anleihen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sogar im Jahr 2024 die Emission von ILBs eingestellt.

Das Risiko bei Aktien

Bietet der Aktienmarkt hier vielleicht eine Alternative? Auch am Aktienmarkt könnten – wie bei Anleihen – fallende Kurse mit höheren erwarteten Renditen einhergehen.

Es gibt aber bei Aktien noch eine andere Möglichkeit: Da die zukünftigen Zahlungen, die Dividenden, im Gegensatz zur Zinszahlung bei Anleihen nicht festgelegt sind, könnten fallende Kurse auf zukünftig niedrigere Dividenden hindeuten. Mit den Kursen würde so die künftige Ertragsentwicklung vorausgenommen.

Empirisch zeigt sich jedoch: Dieser zweite Erklärungsansatz ist lediglich kurzfristig von Bedeutung. Langfristig spielt er nur eine untergeordnete Rolle. Das liegt daran, dass die zukünftigen Dividenden des Aktienmarktes längerfristig so gut wie nicht vorhersagbar sind. Auch bei Aktien gibt es also einen negativen Zusammenhang von Kursentwicklung und erwarteter Rendite.

Konkret bedeutet das: Der Corona-Crash im März 2020 sagte also relativ wenig über die Dividenden der nächsten Jahrzehnte aus. Durch den Fall des DAX auf 8.442 Punkte am 18.3.2020 erhöhte sich im Wesentlichen die erwartete Rendite dramatisch. Ende Juni 2025 stehen wir im DAX bei 23.910 Punkten, was diese Sicht eindrücklich untermauert.

Analog hat sich durch den starken Boom am Aktienmarkt seit 2020 im Wesentlichen die erwartete Rendite von Aktien wieder auf ein Normalmaß reduziert.

Welches Risiko wird belohnt?

Was heißt dies nun für Langfrist-Investoren? Aktien sind und bleiben relativ zu Anleihen das risikoreichere Investment.

Keiner kann die genaue Höhe der Dividendenzahlungen der nächsten 10 oder 20 Jahre vorhersagen. Die Vergangenheit zeigt aber, dass Dividenden des Aktienmarktes langfristig steigen, und zwar real, also Kaufkraft-steigernd. Außerdem erhält man aktuell für jeden eingesetzten Euro eine deutliche höhere Auszahlung im Vergleich zu ILBs. Das Risiko des Aktien-Investors wird durch eine Risikoprämie entlohnt.

Und die entscheidende Erkenntnis: Kurzfristige Kurskapriolen wie nach den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump im April 2025 oder wie in der Corona-Krise, der Finanzkrise oder im Dotcom-Boom Anfang des Jahrtausends können wie bei Anleihen vom Langfrist-Investor beruhigt ignoriert werden. Starke Kursänderungen haben auf die langfristigen Auszahlungen kaum einen Effekt.

Positiver Effekt der Dividendenzahlungen im Beispiel

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:

  • Eine 25-jährige Studentin legt Ende Dezember 1980 das Erbe ihrer Großmutter in Höhe von 500.000 Euro in heutiger Kaufkraft (dies entspricht 376.553 DM in 1980) am deutschen Aktienmarkt an.


  • Dieser Einstiegszeitpunkt ist zunächst ungünstig. Durch die zweite Ölkrise und die hohen Zinsen rutschte Deutschland in den Jahren 1981/82 in die bis dahin schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Die realen jährlichen Dividenden fielen in den ersten zwei Jahren von 6.834 Euro um fast 18 Prozent auf 5.611 Euro (immer in heutiger Kaufkraft vor Steuern).


  • Langfristig war diese Entscheidung jedoch einträglich. Die Kursentwicklung und die Auszahlungen sind in der Abbildung zu sehen.

    Grafik zeigt Entwicklung der Aktienkurse und Dividenden in Deutschland


  • Ende Juni 2025 hält die heute 70-jährige Frau 1.143.215 Euro in deutschen Aktien. Zusätzlich kassierte sie in der ganzen Zeit jährlich Dividenden. Im letzten Jahr erhielt sie 27.965 Euro, also mehr als viermal so viel Kaufkraft wie zu Beginn.


  • Insgesamt belaufen sich die Auszahlungen in den 45 Jahren auf 705.520 Euro. Damit wurde allein durch die Dividenden mehr Kaufkraft generiert als zu Beginn investiert wurde.


Zwischenzeitlichen Dividendenrückgang …

  • Der schlimmste Einbruch der Zahlungen erfolgt in der großen Finanzkrise. Nach einer Dividende von 26.064 Euro in 2008 schmolz dieser Wert auf 17.929 Euro im Jahr 2010. Ein Rückgang von 31,2 Prozent.
  • In 2011 gab es bereits wieder 22.604 Euro.
  • In 2022 erhielt die Akademikerin mit 29.340 Euro das bislang höchste Zusatzeinkommen. Die Dividenden stiegen real im geometrischen Mittel jährlich um 3,38 Prozent, die Kurse real um 4,36 Prozent.
  • Somit herrscht Ende Juni 2025 mit 2,55 Prozent eine niedrigere Dividendenrendite als im Jahr 1981 mit 3,84 Prozent.

… und Kursverluste ignorieren

Entscheidend ist aber, dass unsere Investorin die teils dramatischen zwischenzeitlichen Kursverluste ignoriert hat.

  • So verlor sie während der durch den von US-Präsident Donald Trump initiierten Handelskonflikt im Frühjahr 2025 innerhalb von 24 Handelstagen über 16 Prozent ihres Vermögens.
  • Während der Corona-Krise Anfang 2020 waren es innerhalb von 25 Handelstagen sogar fast 40 Prozent.
  • Während der Finanzkrise waren es innerhalb von 600 Tagen fast 60 Prozent und durch das Platzen der Dotcom Blase Anfang der 2000er Jahre innerhalb von 3 Jahren fast 73 Prozent.

Das Wissen, dass die Kursverluste jeweils nur wenig Information über die langfristigen Dividendenzahlungen beinhalten und mit einer fulminanten Erhöhung der erwarteten Renditen verbunden sind, ließ sie an Bord bleiben.

Bereits für das Jahr 2025 kann sie mit einem neuen realen Höchststand ihres jährlichen Dividendeneinkommens rechnen. Dies wird vermutlich auch in den nächsten Jahren weiter steigen und ihren Lebensabend bereichern.

Dabei wurde und wird ihr Vermögen zu keinem Zeitpunkt durch Verkäufe reduziert. Es wird lediglich im Zeitablauf unterschiedlich bewertet. Ihr Vermögen kann sie entweder in ihrer Rente zusätzlich verbrauchen. Oder aber sie vererbt ihrer Enkelin den Aktienbesitz, den sie selbst von ihrer Großmutter erhalten hat.

Fazit

Das ausführliche Beispiel verdeutlicht, dass ein breit gestreuter Aktienanteil – am besten mit kostengünstigen ETFs und einer weltweiten Diversifikation – in jedes Portfolio eines langfristig orientierten Anlegers gehört.

Mit starken Nerven beim Ignorieren der hohen Volatilität von Aktienkursen und einer Konzentration auf die jährlichen Auszahlungen bleibt das Vermögen langfristig auf Kurs. Bequem daran: Anleger ersparen sich so das gebannte Beobachten der Kurse, investieren also ganz entspannt.


Quellen

[1] Daten zu der 100jährigen österreichischen Anleihe und der anderen Instrumente in diesem Artikel von der Börse Frankfurt, siehe: https://www.boerse-frankfurt.de/anleihe/at0000a1xml2-oesterreich-republik-2-1-17-17?mic=XFRA.

Prof. Dr. Dietmar Hillebrand
Prof. Dr. Dietmar Hillebrand
Wissenschaftlicher Berater von growney

Bei der Asset Allokation und Fondsauswahl arbeitet growney eng mit Prof. Dietmar Hillebrand zusammen. Er ist Leiter des Steinbeis Transferzentrums Quantitative Finance und Professor für Wirtschaftsmathematik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sein großes Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für Privatanleger nutzbar zu machen.



Die richtige Anlagestrategie für Sie? Lassen Sie sich beraten.


Anlagevorschlag erstellen

Risikohinweis: Die Kapitalmarktanlage ist mit Risiken verbunden.
Der Wert Ihrer Kapitalmarktanlage kann fallen oder steigen.
Zum Newsletter

Artikel teilen

Weitere Blogartikel


Wie Sie am besten Geld kurzfristig anlegen
25. Juli 2025 // Geldanlage

Wie Sie am besten Geld kurzfristig anlegen

Bei der Geldanlage geht es meistens um Ausdauer: Je höher der Anlagehorizont, um so weniger können sich Börsenturbulenzen negativ auswirken. Das heißt: Mit der Zeit steigt auch die Chance auf eine …

Mann und Frau sitzen fröhlich beim Kaffee trinken; Wie Sie am besten Geld kurzfristig anlegen
Wie lange muss ich sparen, um 100.000 Euro zu haben?
20. Dezember 2024 // Geldanlage

Wie lange muss ich sparen, um 100.000 Euro zu haben?

Geld für eine Immobilie, für den Ruhestand oder einfach, um Vermögen aufzubauen. Ein Kapital von 100.000 Euro ist dafür nicht schlecht. …

Wie lange muss ich sparen, um 100.000 Euro zu haben?
Vermögen erben und vererben: Die besten Tipps
2. Oktober 2025 // Vorsorge

Vermögen erben und vererben: Die besten Tipps

Absicherung der Familie ist ein zentrales Ziel des Vermögensaufbaus. Dazu gehört auch die Frage: Wie lässt sich am besten das Vermögen vererben? Dabei gibt es viele Aspekte zu beachten: Freibeträge für …

Frau mit Laptop und Berechnung; Vermögen erben und vererben: Die besten Tipps

Mit dem Newsletter sichern Sie sich wertvolle Tipps, u.a.

  • die perfekte Formel für Ihre Finanzen
  • diese 7 Fehler sollten Sie bei der Geldanlage vermeiden
  • die 100.000 Euro Frage für den Ruhestand
  • der Trick mit dem richtigen Market-Timing
  • 5 wichtige Bausteine für Ihren Investment-Erfolg

Kostenlose Experten-Tipps für Ihr Geld

Hilfe Chat